1. Vorlesung: Die Sophisten
Die griechische Philosophie ist ein origenelles Produkt des griechischen Geistes. Die griechischen Philosophen hatten einen Hang zur Metaphysik. Aus nur wenigen Anleihen von Kulturen aus Ägypten, Persion und Westasien schuffen sie etwas völlig Neues.
Philosophie und Pädagogik gediehen bei den Griechen - wie auch so oft anderswo -, da wo die Umstände dafür am günstigsten waren, in den Kolonien an der Westküste der Türkei, den davorliegenden Inseln - in Ionien also - und in Unteritalien.
Die erste Periode der griechischen Philosophiegeschichte ging von Talis von Mile bis zu den Sophisten. Die Sophisten lösten in dieser ersten Phase die Ionische Philosophie, die den Kosmos, die Natur und ihre Schönheit in den Mittelpunkt stellte und den Mensch eher als Peripherie dazu behandelte, ab und gründeten eine Philosophie, die den Menschen und sein Verhalten zentral betrachtete.
Man stellte sich vor dem Hintergrund, daß die Griechen durch Handeln und Reisen immer mehr in den Kontakt mit anderen, fremden Kulturen und damit auch Verhaltensweisen kamen, die Fragen: Wer ist der Mensch? Wie soll der Mensch leben? Die Menschen z.B. in Ägypten verhielten sich für die Griechen ganz anders als sie selbst und die Griechen stellten sich daher die Frage nach der Ursache dieser kulturellen Verschiedenheiten. Das mag den Anstoß gegeben haben, sich mehr mit den Menschen selbst als sich mit dem Kosmos und der Natur zu beschäftigen.
Man wollte wissen, worin die Tugend des Menschen bestehe, egal wo er jetzt nun lebt und welche Sitten er hat. Die Sophisten suchten nach einen ordnendes Prinzip, das das unterschiedliche Verhalten von Menschen verschiedener Kulturen erklären könne, denn man hatte Angst, daß das alles ein Chaos sein könnte, sich alles in seine Bestandteile auflösen könnte, wenn es kein übergeordnetes, ordnendes und die Menschen verschiedener Kulturen zusammenhaltendes Prinzip gäbe.
Daher entwickelte man den Begriff der Physis, der Natur - jetzt aber anders verstanden, als der Begriff Kosmos oben. Die Physis bezeichnete für die Sophisten einerseits das Normale und das Gesunde, andererseits die individuell bestimmte Struktur des menschlichen Organismus. Die Physis faßte also das Gemeinsame, das Ganze und das Einzelne zusammen. Hier sind auch Anfänge eines Prinzip, das die Summe der Teile zu einem Ganzen zusammenfaßt und wie es zum Beispiel auch bei Pestalozzi zu finden ist, zu erkennen. Ein Prinzip, das Teile zu einem Ganzen zusammenfügt, weil sich die Welt ja sonst in ihre Bestandteile auflöste. Blätter, Zweige, Äste und ein Stamm ergeben nur einen Baum, wenn die Summe der Teile eine Ganzheit ergibt.
Damit veränderte sich auch das Verständnis, wie sich eine Regierung legitimieren könne. Galt vorher die Berufung auf die Sitten und Traditionen der Väter als ausreichende Legitimation, so forderten die Sophisten jetzt die Übereinstimmung der Entscheidungen der Regierung mit der Natur als Legitimation ihres Handelns.
Dadurch bekam das eigenständige Denken mehr Bedeutung als vorher. Denn nur durch eigenständiges Denken könne man die Natur erkennen. Die Physis offenbare sich nur dem eigenständigen Denken des Einzelnen. Hier stößt auch die Pädagogik des autonomen Denkens auf ihre Anfänge. Und auch das Naturrecht, welches in der Geistesgeschichte der Menschheit immer wieder auftaucht, beruft sich darauf, ein ethisches Prinzip aus der Natur heraus durch eigenständiges Denken zu erkennen, zu erkennen, was gut und was böse, was schön und was häßlich ist, indem man die Natur erkennen lernt.
Hier nochmal zur Verdeutlichung: Ionische Philosophen sahen sich ein Sternenbild an, und sagten sich dabei: "Ist das aber schön". Sophisten hingegen sagten sich dabei: Jaja, schön ist das auch, aber uns interessiert, warum die Sterne nicht zusammenstoßen." Neben das emotionale Bewundern und das Beschreiben der Schönheit und Vollkommenheit der Natur trat die rationale Analyse der natürlichen Phänomene und verdrängte mehr und mehr die alte orientalische und Ionische, auf die Schönheit der Dinge orientierte Sichtweise.
Die Einführung der Physis brachte eine radikale Umwertung aller bisherigen tradierten Werte mit sich. Die Sophisten forderten, alles müsse auf den Richterstuhl des eigenen autonomen Denkens.
Dennoch betrachten sich die Sophisten als rechtmäßige Erben des Homer, dessen Gedichte und Schriften schon fast den Status einer Heiligen Schrift bei den Griechen inne hatte, und anderer alter griechischer Dichter. Man kann sich hier zu recht fragen, warum sie Homers Schriften nicht ebenso analysierten und mit dem eigenem Denken neu bewerteten.
Statt dessen nahmen die Sophisten eine Stelle des Homer als Ausgangspunkt für eine Lehre praktischer Lebensweise. Sie lasen also Homer nicht nur, sondern fragten danach, was Homer ihnen nützen könnte, welche Richtlinien für praktische Lebensweise sie ihm entnehmen konnten. Damit fanden sie auch die Dichtererklärung, die Exegese der praktischen Lebensweise aus den Gedichten heraus, ein Hauptstück des Unterrichtes in ihren Schulen.
Mit Perikleischen Zeitalter, Perikles lebte von 500-ca. 429 v.Chr, kam der große Umschwung. Athen und andere reiche Städte erlebten noch mehr wirtschaftlichen Umschwung und weitergehende Demokratisierung. Dennoch gab es das Wahlrecht nur für über 25-jährige wohlhabende Männer, aber immerhin es gab es. Der Kaufmann beanspruchte für sich Autonomie und immer mehr Menschen verlangten sophistische Lehrer für ihre Kinder.
Im Mittelpunkt stand den Kindern die Fähigkeit zu selbständigen Denken zu vermitteln (siehe dazu auch Schulwesen in Athen...). Es wurden nicht mehr fast ausschließlich Wissen und Traditionen vermittelt.
Neben den Sophisten trat zu dieser Zeit des Umschwungs auch Sokrates auf den Plan, der den Sophisten zumindest später spinnefeind war. Zunächst dachten viele Wissenschaftler, dies sei auch am Anfang schon so gewesen, jetzt ist man sich in der Pädagogik aber aufgrund von Hinweisen, die in die andere Richtung gehen, da nicht mehr so sicher. Es gibt jetzt auch die These, daß Sokrates als junger Mann ein Sophist war und sich dann von den Sophisten weg entwickelt hat, zu dem Mann, wie Platon ihn beschrieb. Doch dazu später mehr.
Durch die Sophisten wurde das Denken weiter ihn den Mittelpunkt gestellt, gedacht haben natürlich auch die ionischen Philosophen schon, aber jetzt kam zunehmend die Vernunft als rationalistisches Element zu dem Denken hinzu.
Darüberhinaus erdachten die Sohpisten auch den Begriff des logos, der der unzertrennlichen Einheit zwischen Reden und Denken, die die Sophisten postulieren, einen Namen gibt. Damit war auch der Prosarede, als - laut Sokrates - Mittel zur Lenkung und Beherrschung der Seele, der Weg gebahnt. Auch folgender Gedanke gehört hierhin: "Ich kann durch mein Reden ihr Denken formen, manipulieren." Einerseits kann man also nicht Reden, ohne zu Denken - obwohl ich daran doch manchmal zweifele, wenn ich mir z.B. Politiker anhöre -, andererseits kann das Reden einer Person das Denken einer oder mehrerer weiterer beeinflussen - was ich schon oft gesehen habe.
31. Oktober 1994
psychagogia - Kunst die Seelen zu lenken
Zusammenhang zwischen Sprachen und Denken: führt Sprachprimitivismus zu Denkprimitivismus?? Führt plumpe Sprache zu plumpen Denken?
Der sophistische Jugendunterricht gliederte sich in drei Teile: dem Fachunterricht in Fächern wie Mathe, Physik, Astonomie und Musik, der Unterweisung in praktischer Lebensweise, z.B. wie man sein Haus verwaltet, und der Ausbildung der rein vollkommen Kunst der Rede und des Überredens, ein Machtmittel. Man verzichtete auf eine extra Tugendlehre, denn mit der Sprache werde das Denken und die Tugend schon kommen.
Platon äußerte dazu mal: "Sophisten sind Wortverdreher" (Protagoras, 318e). Aber er sah wohl fast nur den dritten Aspekt, sah die Sophisten also zu eng, übersah ihren fachlichen Unterricht und die praktische Unterweisung.
Der Untericht der Sophisten sollte der Schärfung des Verstandes, des Denken und des Urteilsvermögen dienen, denn sie dachten, das richtige Handeln sei von der richtigen Erkenntnis der jeweiligen Lage abhängig. Bevor man etwas tue, müsse man die Situation analysieren. In diesem Sinne waren auch die Sieben Freien Künste und die Dichtererklärung, beide Teil des sophistischen Unterrichts gedacht.
Laut Platon schwärmte die Jugend für die Sophisten, daß sie sie schon bald auf Händen trugen (vgl. Platon 310bcd).
Einem bekannten Sophist namens Protagoras legte Platon folgendes in den Mund: "Der Mensch sei das Maß aller Dinge, der Seienden, daß sie sind, der Nichtseienden, daß sie nicht sind." (151ef) Es handelt sich dabei höchstwahrscheinlich um ein echtes Zitat von Protagoras. Es sagt etwa, was, der Mensch entscheidet sei richtig. Und wird auf verschiedene Arten interpretiert (siehe Tabelle).
Zusammenfassung: Die Sophisten begründen die Theorie der sieben freien Künste, entdecken den Zusammenhang zwischen Sprache und Denken (logos), sehen den Menschen als politisches Wesen, betonen die Bedeutung der Rhetorik, der Sprache für das Verständnis des Menschen. Nach Platons Darstellung der Sophisten, halten sie Tugend beziehungsweise Tauglichkeit für erlernbar.
Außerdem hat für sie das Üben der Fähigkeiten, der Sprache große Bedeutung, es hat Vorrang vor den angeborenen Fähigkeiten des Menschen, denen sie weniger Bedeutung beimessen.
2. Thema: Das Erziehungsdenken des Sokrates
Einige biographische Daten
Sokrates wurde 469 v. Chr. geboren und im Jahre 399 nach einer Gerichtsverhandlung hingerichtet. Er stammt aus Athen und ist Sohn einer Hebamme und eines Bildhauers. Er lehrte schon früh Philosophie.
Im Alter von 70 Jahren wurde er von seinen Gegnern angeblich wegen Verführung der Jugend und Verrat der Götter hingerichtet. Sokrates war in seiner Jugend eher ein Sophist, entwickelte sich dann aber von den Sophisten weg.
Athen erlebte um etwa 450 einen wirtschaftlichen Aufschwung, überschätzte dann aber seine Kräfte. Während in Athen die Demokratisierung voranschritt, herrschte in Sparta noch die Oligarchie. Beide Städte vertrugen sich nicht gut. Es gab Auseinandersetzungen, die schließlich zu einem Krieg eskalierten, den Athen schnell zu gewinnen glaubte.
Dem war aber nicht der Fall. Sokrates kritisierte zu der Zeit, die Richtung die Athen einschlug und beklagte den Hochmut der Athener, ihre Selbstüberschätzung. Er diskutierte auf der Straße mit Leuten und machte sich dadurch unbeliebt. Er warf sophistischen Juristen vor, ihre Redekunst nur zum Geld verdienen zu verwenden, anstatt etwas Gutes damit zu tun. Auch damit stieß er auf wenig Gegenliebe.
Die Sophisten wollten ihn schließlich loswerden. Zunächst wollten sie ihn nur aus Athen raus haben. Dann verurteilten sie ihn zu Tode, weil er freiwillig nicht ging. Bis zuletzt hatte Sokrates die Möglichkeit zu fliehen. Seine Freunde baten ihn, mit dem Schiff im Hafen Athen zu verlassen. Auch seine Gegner hatten Angst vor ihrer eigenen Courage, und wollten, daß Sokrates flieht.
Sokrates jedoch nutzte diese Möglichkeit nicht. Er hielt sich an den Urteilsspruch und trank den Giftbecher aus, der ihm schließlich das Leben nahm.
Das Erziehungsdenken von Sokrates
Platon sah in Sokrates den Gegenspieler der Sophisten. In seiner Jugend jedoch war Sokrates selbst ein Sophist, er entwickelte sich erst nach und nach zu dem Sokrates den Platon schildert.
Sokrates teilte viele Dinge mit den Sophisten, er ging aber auch in einigen Punkten weiter als sie. Er sah das Problem, daß selbständig denkende Individuen sich nur schwer in eine Gemeinschaft fügen.
Er vertrat jedoch auch die These, daß wenn jemand lange genug nachdenke, er automatisch auf den Gedanken komme, soziale Verantwortung und Gemeinschaft seien notwendig und wichtig für ihn. Der Mensch erkenne also von selbst, wenn er intensiv nachdenkt, sein Wesen als ein soziales an.
Was für andere eine Quadratur des Kreises bedeutet, nämlich das Zusammenbringen von selbständigen Individuen zu einer Gesellschaft, löste sich für Sokrates durch seine These in Wohlgefallen auf. Wenn man den Menschen das Denken beibringe, dann könne er auch in einer Gesellschaft leben. Darin unterschied sich Sokrates deutlich von den Sophisten.
7. November 1994
Was Sokrates von den Sophisten unterscheidet:
- Die Sitten im Menschen verankern, soweit er sie akzeptieren, denken kann
- Der Menschengeist ist verwandt mit Gottes Geist, statt Devotismus, Unterwürfigkeit im Osten
Sokrates laut Nitzsche: Vernichter des Mythos/ der Instinkte. Er hat uns aus einer Zauberwelt hinausgeführt.
Sokrates wollte über den Relativismus und Individualismus des Sophismus hinausgehen. Er hatte ein anderes Verständnis von der Autonomie des Menschen. Auch Platon kritisierte den Sophismus an dieser Stelle.
Sokrates Gedankengänge dazu:
1. Eine Sitte muß vor meinem Denken bestehen können, aber wenn alle denken, sehen sie Sitten, die für alle notwendig sind. Wir kommen durch unser Denken zu den gleichen Aussagen! Hinter der Wahrscheinlichkeit liegt die Wahrheit.
Es gibt Sittlichkeit, die für alle verbindlich ist. Durch unser Denken erkennen wir dies. Es gibt vorgebene Werte wie Gerechtigkeit und Wahrheit. Im Kern ist die Gerechtigkeit für alle die gleicher Gerechtigkeit, aber in anderer konkreter Ausgestaltung.
2. Es gibt eine objektive Wahrheit, aber er hat sie noch nicht. Nichtwissen als Anerkennung von Erkenntnisgrenzen, die der Mensch ohne Verlust seiner Würde akzeptieren kann. Ich ahne es, aber ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob das wirklich der letzte, wahre Gedanke ist, oder ob da noch was dahinter steckt, was ich noch nicht erkannt habe.
Sokrates hatte nie eine Schule (Platon 33ab), er entwickelte kein philosophisches System und schrieb keine Bücher. Er redete mit den Menschen, das war alles. Es gab viele Schulen in Athen, aber Sokrates rühmte sich, nie eine gehabt zu haben.
Er bleibt zeit seines Lebens der Suchende, der Nicht-Alles-Wissende. Mit sokratischer Ironie behandelt er andere als Wissende, so wie sie es erwarten, und überführt sie dadurch ihrer Unwissenheit (Georgias, 506a). Er stellte seine eigenen Erkenntnisse immer wieder in Frage. [Einstein: Hör nie auf zu fragen, warum.]
Die Arroganz der vermeintlich Wissenden war ihm fremd. Ich kann die letzte Wahrheit nicht erkennen, oder zumindest nicht wissen, ob ich sie erkannt habe.
Sokrates lebt ein Leben immer in Frage, aber er ist kein Skeptiker: "naja, ich weiß nicht!". Der Skeptiker weiß nicht, ob es Gerechtigkeit gibt. Sokrates weiß es, ja, es gibt Gerechtigkeit, aber man muß weiter darüber nachdenken. Er plädiert für das Denken, Denken gegen Vorurteile und Gedankenlosigkeit bei anderen und vor allem bei sich selbst. Er brachte das (logische) Denken in die westliche Kultur. Er war ein Unruhestifter, eine Bremse, die immer stört (Apologie 30e).
Er stellte sich die Frage: Was ist das eigentlich, worüber wir so sicher sind? Das war für in wichtig zu wissen. Ihm ging es darum, die Kraft zur Selbstleitung im anderen zu entbinden, eine Kraft, die vorhanden ist, aber entbunden, entfaltet werden muß. Er nannte das die Hebammenkunst. Durch Denken immer weiter in Probleme eintauchen, so heißt sein Motto. Nachdenken: Nicht Führer befiehl, wir denken dir nach, sondern, ich muß das mal nachdenken.
Einmal wurde Sokrates von Menon zu einem Gastmahl eingeladen. Dort tauchte die Frage auf, die Generationen beschäftigen sollte und beschäftigt: Gibt es angeborenes Wissen? Sokrates bejahte, Menon verneinte.
Sokrates rief einen Sklavenjungen ohne Vorbildung aus dem Hause Menons und stellte ihm folgende Frage: Wie kann ich die Größe eines Quadrates am einfachsten verdoppeln? Der Junge spontan: Das ist doch ganz leicht, einfach die doppelte Seitenlänge nehmen. Ja, aber dann bekomme ich doch ein Quadrat, das 4x so groß ist. Durch geschicktes Fragen läßt Sokrates den Jungen die richtige Lösung finden. Dieser erkennt, daß man die Diagonale des alten Quadrates als eine Seite vom neuen Quadrat nehmen kann, das dann genauf doppelt so groß ist.
Er ging folgendermaßen vor:
1. Er zeigte dem Besserwissenden, in diesem Fall dem Jungen, seine Unwissenheit. Der Junge antwortete spontan, ohne groß nachzudenken, weil er sich sicher war, daß es so sein müsse.
2. Sokrates nimmt den Jungen und seinen Vorschlag ernst. Er korrigiert ihn nicht: "Das weiß doch jedes kleine Kind, sieh mal an die Tafel, ich zeigs dir." Für ihn kann in jeder Antwort etwas Wahres sein, das er vielleicht selbst noch nicht erkannt hat.Er akzeptiert und respektiert den Jungen deshalb.
3. Der Junge wird nachdenklich, weil er ernst genommen wird. Mit Hilfe der Fragen von Sokrates erkennt der Junge selbst, daß er falsch dachte, und findet die richtige Lösung.
Sokrates führt den hochmotivierten Jungen zum Erkennen der Lösung durch Einsicht. Er weckt das Problembewußtsein des Jungen, zeigt ihn, ein Problem wirklich zu sehen, von einem Problem besessen zu sein.
Der pädogogische Gehalt sokratischen Denkens - eine Zusammenfassung
1. Der Lehrer behandelt den Schüler von anfang an als Wissenden und überführt ihn nicht seines eingebildeten Wissens.
2. Der Lehrer führt vor den Schülern und auch sonst ein Leben in Frage, er vermeidet die Ignoranz des Wissenden.
3. Er spielt nicht den Bisserwissenden. Er liebt das Denken zur Beseitigung von Vorurteilen und Gedankenlosigkeit. Er respektiert den anderen, der des Nach-denkens fähig ist. Er wartet auf Impulse der Schüler. Der Unterrichtsprozeß ist ein Nehmen und Geben. Die Schüler können ihm auch was geben.
4. Er hilft bei der Entbindung der Selbstleitungsfähigkeit jedes Schüler. Er übt sich in Hebammenkunst, hilft den Schülern, Selbstvertrauen zu entwickeln.
Die Schüler machen dann die Erfahrung, ernst genommen zu werden.
angeborenes Wissen: Nicht das technische Wissen,
sondern das verstehende Wissen, warum etwas so ist
Der Lehrer soll neben dem notwendigen Einpauken wichtiger Dinge, die Schüler zu Aha!-Erlebnissen führen, das Warum hervorheben, das Denken fördern.
Sokrates
Bei allem Nichtwissen weiß ich eins doch: Unrechttun und gegenüber dem Besseren ungehorsam sein ist böse, ist von Übel (29b, von Platon in den Mund gelegt, aber möglicherweise ein Zitat von Sokrates)
14. November 1994
Gewissen - Gespür für Unrechttun und Ungehorsam gegenüber dem Besseren und, daß es falsch ist, unrecht zu tun
gutes Gefühl - gut gehandelt, schlechtes Gefühl - schlecht gehandelt
Einschränkung des Nichtwissen - obiges "weiß", spürt, ahnt man doch
Was ist gut? zum ersten Mal rational gefragt. Vorher: was Gott will ist gut (Homer). Und ich weiß, was Gott will, das haben mir meine Eltern gesagt.
Sokrates hatte keine scharfe Definition des Guten, aber ein Gespür dafür. Er war dem Guten sozusagen auf der Spur, konnte es aber nie ganz fassen.
daemonion (nicht Dämon) - Licht, innere Stimme, die ihm sagt, was gut und was schlecht
Unrecht leiden ist besser als Unrecht tun, denn da schweigt wenigstens die innere Stimme. Unrecht tun verursacht dagegen ein schlechtes Gewissen. Unrechttun wegen Reichtümern und äußeren Gütern, trachten nach Reichtum. Die Welt ist schlecht und verführerisch, verführt zum Unrecht. Platon entwickelte diesen Gedanken weiter. [Oh, was für Pessimisten.]
Wer seine Seele schützen will, sucht die wahren Werte. Wer den Wert der wahren und den Unwert der falschen Güter erkennen kann, der ist Wissender. Es kann wahr und falsch, gut und böse geben, und das weiß Sokrates trotz seines Unwissens a priori.
Ein Wissender kann nur noch gut handeln, weil er sonst ein schlechtes Gewissen bekommt, wider sein besseres Wissen handelt.
Der Mensch weiß a priori, wie man ein mathematisches Problem löst und er spürt ein flaues Gefühl beim Bestreben nach Reichtum, hat ein Unrechtsbewußtsein, aber metaphysisch weiß er nichts. Er hat Einsicht in das wahre Gute, weiß aber nicht, was es ist. Er weiß, es gibt Gut und Böse, ahnt aber nur, was sich dahinter verbirgt. Platon versucht das Gute später dann doch genauer festzulegen.
Das Handeln ist daher also abhängig von der Erkenntnis, ein Spüren nach dem Guten, dem Grad der Einsicht und nicht von einem äußeren angelernten Wissen. Es ist auch abhängig von der Einsicht in das eigene Selbst, laut dem Motto des Halbgottes Delphi: "Erkenne dich selbst!" Wisse, daß Du nicht definitiv, endgültig wissen kannst, was gut ist, sondern es nur ahnen kannst.
Erinnerungen von Xenophon: Beschreibt Sokrates, wie er ihn erlebte. Anders als bei Platon, der Sokrates als Schüler, der nach dem Guten sucht, jemanden der bis jetzt nur in die Metaphysik eingetaucht ist, nicht aber deren Wesen erkannt hat. Dabei hatte Sokrates mit Metaphysik nichts am Hut, außer, daß er behauptete, man könne sie nicht wissen, sondern nur ahnen.
In die Zeit von Sokrates und danach fällt dennoch die Geburtsstunde der abendländischen Metaphysik. Platon will Sokrates gerne als ihren Begründer darstellen, was aber so nicht stimmt.
Der Gegensatz von dem Wissen, der Einsicht in das Gute ist nicht das Unwissenheit, sondern die Selbsttäuschung. Sokrates ist davon überzeugt, er hat ein Gespür dafür, daß es so ist, er beansprucht in dieser Sache eine gewisse künstlerisch-handwerkliche Sachverständigkeit. Ich spüre, was gut ist, das ist mein inneres Wissen. Es ist nicht lehrbar, es ist mein handwerkliches, mein künstleriches Feingespür, meine Intuition.
Hier wird die Geburt des westlichen metaphysischen Denkens aus der Vernunft heraus eingeleitet. Platon und andere treiben dies weiter...
3. Vorlesung: Das Erziehungsdenken von Platon
Eine kurze Biographie
Platon wurde entweder 427, 428 oder 429, und vielleicht an einem 21. Mai geboren, so genau weiß das niemand, es gibt widersprüchliche Angaben hierzu, und starb 348 vor Christus, möglicherweise bei einem Hochzeitsgelage.
Er hieß ursprünglich Aristokles und wurde wegen seiner breiten Schultern und seiner breiten Stirn Platon [wie Platte, so Herr Krenzer :-)] genannt.
Sein Vater stammte von Kodros, einem König von Athen ab, seine Mutter von Solon. Sie war Schwester von Kridias, der gegen Ende des peloponesischen Krieges 404 mit 30 anderen in Athen ein Schreckensregiment errichtete, weil er glaubte, Athen habe den Krieg wegen seiner demokratischen Haltung verloren. Auch andere dachten dies, und hielten die Demokratie für falsch. [Oh wie dumm!]
Platon erlebt seinen Onkel und hat von daher mit der Demokratie schon mal wenig am Hut. Auch seine hochadelige Herkunft ließ in ihm nicht gerade demokratisches Bewußtsein reifen. Da er aus einer hochadeligen, vermögenden Familie stammte, genoß er eine sorgfältige, teuer bezahlte Erziehung.
Er lernte mit 20 Jahren Sokrates kennen und gab seinen Wunsch Staatsmann oder Dichter zu werden, zugunsten der Philosophie auf. Er war acht Jahre lang Schüler von Sokrates bis 399, bis zu Sokrates Hinrichtung.
Danach machte er eine große Reise nach Unteritalien und vielleicht auch Sizilien und Ägypten. Ihn begegnete dabei nachhaltig das Denken der Phytagoräer und schloß Freundschaft mit Architas von ?, der ihm die Notwendigkeit der Mathematik und ihre Bedeutung für die Philosophie erklärte. Er entwickelte Vorstellungen vom idealen Staat.
Er traf auch mit Dionysios I. zusammen, der Syrakus beherrschte, zusammen, und versuchte diesen, sich für seine Ideen vom idealen Staat einzusetzen. Dies hätte Dionysios auch gerne getan, aber nicht auf Kosten seines üppigen Lebensstils, deshalb lehnte er ab. Maßlos entäuscht zog Platon von dannen, jetzt konnte er seine Vorstellungen von einem idealen von einem oder wenigen Befähigten regierten Staate nicht verwirklicht sehen.
388 kam er nach Athen zurück und gründete dort eine Lebensgemeinschaft der Philosophietreibenden, wie er sie in Phytagoräischen Lebensgemeinschaften auf seiner Reise erlebt hat. Sie sollte nach dem griechischen Halbgott Akademos benannt werden. Die Behörden genehmigten das aber so nicht, und verlangten diese Lebensgemeinschaft müsse ein Verein mit einem bestimmten Ziel werden.
So wurde aus der Lebensgemeinschaft zumindest offiziell eine Schule, die der Forschung und Erziehung diente. So bekam durch athenische Bürokraten der Begriff Akademie die heutige Bedeutung.
Das Leben in dieser Lebensgemeinschaft war straff organisiert. Es gab Speisevorschriften und einen geregelten Tagesablauf für alle. Platon wollte mit dieser "Akademie" seine Vorstellungen von einen idealen Staat nun doch noch realisieren.
366 und 361 reiste er nochmal nach Süditalien und versuchte den Herrscher von Syrakus, nun schon Dionysios II., davon zu überzeugen, für seine Vorstellungen von einem idealen Staate einzutreten. Auch diesmal wieder erfolglos. Dionysios wollte sich seinen Lebensstandard nicht nehmen lassen, auch der Sohn war des alten Dionysios war also nicht herum zu kriegen.
Platon resignierte und bleib aber weiter bei seiner Abneigung gegen die Demokratie, die wohl zum großen Teil von seiner altaristokratischen Herkunft und der damaligen Entwicklung in Athen herkam.
Zu seinem Denken
Platon sammelte in 557a verschiedene Argumente gegen die Demokratie. [Krenzer etwa: Diese Vorlesung ist beileibe nicht gegen die Demokratie, aber auch das muß man hier darstellen. Ich halte mich da persönlich an Churchhill, der einmal sagte: "Die Demokratie ist die schlechteste Regierungsform, aber ich kenne keine bessere" - naja, das kann man aber eigentlich immer sagen. Und wenn Churchhill keine bessere kennt, dann muß sie aber auch die beste sein!?]
- volle Freiheit und Redefreiheit, die mißbraucht werden kann
- unbedingte Erlaubnis, das zu tun, was man gerade will [find ich toll, ist das wirklich so?]
- Entscheidungen hinsichtlich des eigenen Privatlebens obliegen der eigenen Launen
- absolute Zügellosigkeit, kein Zwang, ein Staatsamt zu übernehmen, auch wenn man geeignet wäre.
- Man braucht nicht in den Krieg zu ziehen, wenn man nicht will, auch wenn andere dies tun, man braucht nicht Frieden zu halten, wenn andere dies tun.
- übertriebene Humaität gegenüber gesetzlich Verurteilten: sie sei hübsch diese Humanität (ironisch)
- und mancher lebt nach seiner eigenen Lust, etwas zu tun, weder Ordnung noch Konsequenz finden sich in dessen Leben
- man muß nicht auf seine Eltern, seinen Vater hören
Daher ist für ihn die Demokratie nicht akzeptabel und bedürfe der Staat der Führung eines Einzelnen oder weniger Befähigter. Dabei hat Platon ideale Menschen vor Augen, die es nicht gibt.
21. November 1994
Platons Kritik an der Demokratie war die vor Perikles und der Demokratisierung Athens übliche Auffassung. Damals dachte man aber, die Fähigkeit zum Führen werde vererbt und nur adeliger Nachkommen seien daher zum Führen geeignet - so z.B. Pinda, ein Dichter der von 520-445 lebte.
Platon hingegen dachte, jeder könne Führer werden, es komme nur auf die geeignete Erziehung, Entfaltung an. Platon gesteht zunächst mal jedem den Führungsanspruch zu, die Erziehung sollte die Besten aussieben.
Neben Platon gab es noch weitere Schüler Sokrates´, Euklid, der mit Mathematik viel zu tun hatte, und Protagoras, den Platon anscheinend gut kannte und mochte, denn Platon verwandter seinen Namen für einen Titelhelden in seinen Dialogen.
Sokrates war immer auf der Suche nach dem Guten und dachte, es nie wirklich endgültig finden zu können, oder es dann zu wissen, daß er es gefunden hat. Platon hingegen ging weiter und dachte, er könne das Gute finden und wisse auch den Weg dorthin.
In seinen frühen Dialogen setzte Platon Sokrates ein Denkmal. Sokrates kam immer als Figur in seinen Dialogen vor. Später aber entwickelte sich Platon vom Schüler Sokrates´ zum selbständigen Denker weiter und der in seinen Dialogen geschilderte Sokrates vertrat zunehmend platonische Auffassungen. Man kann daher davon ausgehen, daß nur die Schilderung des Sokrates in seinen frühen Dialogen einigermaßen authentisch ist.
Diese platonische Auffassungen spiegeln sich in seiner Ideenlehre wieder, die aus folgenden Punkten besteht:
- Auseinandersetzung mit seinen Gegnern den Sophisten, so wie er sie sah, um Strittiges möglichst bis zur Eindeutigkeit zu klären
- Alle von ihm untersuchten Begriffe enthalten etwas Werthaftes: das Gute, das Wahre, die Freundschaft
- Die Besinnung auf diese Werte kann iin verschiedenen Situationen zu verschiedenen Schlußfolgerungen führen. Freundschaft kann in der einen Situation bedeuten, einem Freund zu helfen, in einer anderen aber auch, ihn die Hilfe zu verweigern.
- Darüber hinaus ist jedes Ding durch Teilhabe an einem Wert werthaft. Ein aus einem Stein gemeißeltes Kunstwerk ist schön, wenn sein Ersteller es schön machen wollte.
- Werte sind rational und daher durch Intelligenz erfaßbar, soweit würde auch Sokrates diese Gedankengänge unterschreiben. Platon geht hier jetzt aber weiter. Da die Werte mit der Intelligenz erfaßbar sind, ist Tugendhaftigkeit, also wertgetreues Verhalten lehrbar. Dahinter steckt Platons Auffassung, daß man das Gute und das Wahre auch wirklich finden kann.
Sokrates ist zwar mit seinem Denken immer auf die Suche nach den Werten und kann sich ihnen nähern, aber er weiß nie, ob er sie irgendwann wirklich ein für allemal gefunden hat, er kann dies nicht wissen und so sucht er immer weiter. Platon hingegen sagt, "Ich kann Dir das Wahre sagen, ich weiß es, hör mir zu!", wo Sokrates sich auf seine sokratische Unwissenheit berufen würde. Auch die folgenden Gedankengänge sind rein platonisch.
- Werte sind in dieser Welt immer menschlich verdunkelt, es gibt sie in dieser Welt nicht in ihrer puren, ihrer reinen Form. So gibt es zum Beispiel auch nicht die ideale Freundschaft in dieser Welt, sondern nur Annäherungen daran.
- Die Werte existieren in einer besonderen From, sie existieren die Sinnlichkeit, die Sinnenwelt übersteigend im Reich der Ideen. Nicht in der physischen Welt, sondern in der metaphysischen, der Welt jenseits des Physischen, der Dinge.
- Die Sinnenwelt gewinnt nur insoweit Existenz, als sie an der vollkommenen, wahren Existenz der Ideenwelt teilhat. Aber auch wenn sie teilhat, bildet sie das Vollkommene nur unvollkommen ab. Die Sinnenwelt ist unvollkommen und von zweitrangiger Bedeutung.
[Dahinter steckt die Auffassung, das Denken sei mit dem sein identisch und es sei nur das, was ich denken kann. Gefährlich wird diese konstruktivistische Auffassung, der Mensch konstruiert sich durch sein Denken seine Welt, wenn man Geistigbehindertes die Fähigkeit zu Denken nicht zugesteht. Denn dann könnten diese nicht sein, auch nicht Mensch sein.
Auch mit dabei ist daraus folgende Auffassung, alles Sein sei dem Denken zugänglich, auch das metaphysische Sein und damit auch die Ideenwelt. Darauf gründet Platon auch seine Auffassung, er könne die Wahrheit, das Gute finden (Siehe dazu auch Palmidines oder so ähnlich).]
- Daher müsse man die Menschen an das Gute durch Erziehung heranführen. Und dann können sie sich selbst aussieben, indem sie erkenne, der eine könne das Gute besser als der andere erkennen. Nur die, die das Gute wirklich sehr gut erkennen können, seien zum Führer geeignet. Nicht jeder kann das Gute gleich gut erkennen und gleich gut danach handeln.
Das Erziehungsdenken Platons
Für Platon war der ideale Staat das Abbild des idealen Menschen. Wenn man das Bild vom idealen Mensche in eine Staatstheorie umsetze, dann bekomme man eine Theorie des idealen Staates. So leitet sich seine Vorstellung von einen idealen Staat von seinen Menschenbild ab.
Platon stellte sich den Menschen nach einem Gleichnis von einem Rosselenker, einem Wagenlenker mit zwei Pferden vor. Das weiße Pferd stellt den muthaften, den gemüthaften Teil des Menschen dar, oder in seiner Staatstheorie entsprechend den Wehrstand der Krieger und der Verwaltung.
Das schwarze Pferd dagegen repräsentiert den triebhaften Teil des Menschen beziehungsweise den Lehrstand mit Arbeitern, Handwerkern und Bauern. Dieser dient in seiner Auffassung nur dazu die anderen beiden Stände zu ernähren.
Der Wagenlenker steht für die Vernunft, den Herrscherstand. Seine Staatstheorie gründet jetzt darauf, daß der triebhafte Teil des Menschen und sein gemüthafter Teil auseinanderstreben, daß das weiße und das schwarze Pferd sich hassen und voneinander fortreiten wollen, was aber den Menschen als Ganzes zerstören, zerreissen würde.
Genau das gilt seiner Auffassung nach nun auch für den Staat. Wenn es keine(n) Herrscher gibt, dann bricht der Staat auseinander, machen sich der Lehr- und der Wehrstand selbständig. Deshalb hat bei Platon die Vernunft, die/der Herrscher die größte Priorität, also Vorrang vor den beiden anderen Kräften in Menschen, die zwar auch da sein müssen, aber der Vernunft untergeordnet. Oder anders: Für einen Staat braucht es Lehr- und Wehrstand, aber beide Stände müssen sich dem Herrscherstand unterordnen.
So darf der triebhafte wie der gemüthafte Teil des Menschen nicht überhand nehmen, wie die beiden untergeordneten Stände. Den Kriegern und Verwaltern sollte man Privatvergnügungen und den Besitz von Geld verbieten, damit der triebhafte Teil des menschlichen Wesen nicht über seinen gemüthaften Teil steht. Denn aus dem gemüthaften Teil des Menschen gehe die Vernunft hervor, aus dem Wehrstand die Herrscher.
Der dritte Stand ist dabei eigentlich nur Anhängsel, notwendiges Anhängsel zwar, das gute Lebensweise der Mitglieder der anderen beiden Stände ermöglichen soll. So sollten seiner Auffassung nach - die wohl auch von der Zeit, und den patriarchalischen Zuständen in Athen geprägt war - alle Frauen in Allgemeinbesitz übergehen, damit der triebhafte Teil der Männer, der Krieger nicht überhand nehmen könne. [Weil er sich dann gleich befriedigen lassen würde?]
Die Kinder im Kriegerstand werden vom Staat gemeinsam erzogen, die Familienerziehung spielt kaum eine Rolle. Sie sollen bis zum siebten Lebensjahr gemeinsam, danach nach Geschlechtern getrennt erzogen werden und zwar vor allem in den Fächern: Gymnastik, das auch Muse, Tänze und Gedichte umfaßt, Musik, Lesen und Schreiben. Auch das spiegelt wahrscheinlich die reale Erziehungssituation damals in Athen wieder.
Für die Erziehung bleibt noch der Grundsatz, daß die Vernunft oberste Priorität hat, hält sie doch den Menschen zusammen. [Naja, darüber kann man sich ja noch streiten, aber ich vertrete weder die Auffassung, daß der Herrscherstand gegenüber den anderen Ständen das Sagen hat, noch, daß es überhaupt einen Herrscherstand geben muß.]
28. November 1994
Platons Vorstellungen von der Erziehung stimmen weithin mit den damals üblichen Vorstellungen überein. Dabei berücksichtigt er jedoch nur den Kriegerstand. Alle Jungen und Mädchen werden bis zum 14. Lebensjahr gemeinsam erzogen und danach getrennt. Für die Erziehung ab 14 Jahren geht Platon nur noch auf die Erziehung von Jungen ein.
Im Alter von 14 Jahren wird zum ersten Mal ausgesiebt. Die zur Wissenschaft tüchtigen und die Tapferen, die Fähigen werden ausgelesen und weiter ausgebildet. Alle anderen werden in den Baurnstand abgestuft.
Die Ausgesonderten werden bis zum Alter von 30 Jahren weiter ausgebildet, jetzt aber in den Wissenschaften Mathematik, Geometrie, die damals auch Naturkunde umfaßte, und Astronomie. Dabei ging es Platon nicht um "Vielwisserei und doch nichts wissen".
Mit 30 Jahren findet eine zweite Auslese statt. Die weniger Tüchtigen werden Krieger oder übernehmen einfachere Verwaltungsaufgaben. Alle anderen studieren 5 Jahre lang Philosophie. Danach werden die "Schlechteren" wieder ausgelesen und bekommen höhere Verwaltungsposten.
Nur ganz wenige werden bis zum 50. Lebensjahr weiter ausgebildet. Die besten von ihnen übernehmen dann höchste Verwaltungs- und Regierungsaufgaben und werden in den Herrscherstand aufgenommen. Alle anderen übernehmen hochrangige Verwaltungsposten.
Nach Platons Vorstellung soll ein Herrscher in erster Linie ein Philosoph sein, nur dann sei er für die höchste Stufe des Herrschens geeignet. Die Aussiebung dient bei ihm dazu, daß nur die besten ins Militär und den Verwaltungsdienst kommen und nur die allerbesten Herrscher werden. [Wie will man eigentlich bestimmen, wer der bessere Herrscher ist??]
Platons Aussagen über die Ausbildung der Herrschenden gehen dann aber doch über damals übliche Vorstellungen hinaus. In seinen Höhlengleichnis (Dialog Staat, 7. Buch) versucht er für alle den Begriff der Bildung zu definieren und den Weg zur Erkenntnis des Guten zu beschreiben. Dies ist die Essenz seines Erziehungsdenkens. Dabei sieht er den Prozeß der Auslese als allgemeinen Prozeß der Erziehung für alle Menschen.
Sein Ziel ist eigentlich nicht vornehmlich die Heraussiebung von Herrschern, sondern vielmehr die Bildung des Menschen zum Herrscher über sich selbst. Nur wenn man sein Gleichnis sowohl auf der Ebene des Bildhaften, des Metaphorischen, als auch auf der Ebene des Sinnhaften und der tieferen Sinnhaftigkeit versteht, nur dann versteht man es ganz.
Das Gleichnis besteht aus vier Teilen, die zunächst bildhaft erklärt werden:
1. Der Mensch sitzt in einer Höhle an einen Stuhl gefesselt. Er kann nur nach vorne auf eine Wand schauen. Hinter ihm ist auch eine Wand, hinter andere Menschen ein Feuer machen und jemand über der Wand hölzerne Gegenstände hält, die durch das Licht auf der Wand vor dem gefesselten Menschen gespiegelt werden. Die anderen Menschen sprechen dabei.
Für den gefesselten Menschen sind die Schatten, die er vor sich sieht die Wirklichkeit. Die Stimmen der anderen Menschen sind für ihn die Stimmen der Schatten vor ihm.
2. Der Mensch wird von seinem Stuhl losgemacht, er wird entfesselt. Er sieht die hölzernen Gegenstände, kann aber nicht hinter die Wand schauen, und hält daher jetzt sie für die Realität.
3. Der Mensch kommt aus der Höhle heraus beziehungsweise wird von seinem Lehrer herausgeführt. Die Sonne scheint, er sieht eine Landschaft mit einem See und Bäumen und vielem anderen mehr. Die Sonne blendet ihn, er kann die wirklichen Gegenstände nur durch ihr Spiegelbild im Wasser sehen. Ihm hängt sein Höhlendasein an. Die Höhle ist schön, warm und bequem gewesen, er war dort geborgen. [Gefesselt an einem Stuhl und sich geborgen fühlen???]
Auch die Theorien und die Ideen als Teil der Wirklichkeit kann er nur durch das Wasser sehen, verschwommen noch.
Langsam gewöhnen sich seine Augen an das helle Licht, er braucht nicht mehr durch das Wasser die Welt betrachten, sondern kann nun die Gegenstände direkt anschauen. Doch seine Augen schmerzen von dem hellen Licht der Sonne.
4. Das Auge gewöhnt sich an die Sonne, an die Wirklichkeit. Kann allmählich hebt der Mensch seinen Blick und schaut mehr und mehr direkt in die Sonne. [Will er blind werden?] Er sieht nun die höchste Stufe der Wirklichkeit, die in seinen Augen schmerzt. [Das kann ich mir vorstellen.] Er sieht die Wirklichkeit radikal, kann erkennen, was gut und was wahr ist, und sich selbst immer mehr fordern.
Nun zur Interpretation der einzelnen Stufen des Höhlengleichnisses:
Wie kann der Mensch zur Erkenntnis der Wirklichkeit geführt werden? Wir sträuben uns alle, die Wirklichkeit zu sehen. Wir klammern die Wirklichkeit aus, weil wir sonst kaputt gehen. [Würden wir das?] Wir haben Angst vor der Wirklichkeit und nisten uns nur in einen kleinen Bereich der Wirklichkeit ein. Wir können uns nur schwer der ganzen Wirklichkeit stellen. Auf welchen Weg kann man nun den Menschen doch nun zum restlosen Erkennen der Wirklichkeit führen, begleiten?
1. Der gefesselte Mensch ist ein "gewöhnlicher" Mensch. Die Schatten stellen Meinungen dar. Dieser Mensch ist ein Mitläufer, ein Nachreder, er übernimmt unkritisch die Meinung anderer. [BILD-Zeitung: Bild Dir Deine Meinung!]
2. Der entfesselte Mensch hält sich nicht mehr für einen Nachläufer, er fühlt sich selbständig und selbstbewußt. Aber dabei hält er nur das für die Wirklichkeit, was er auch sehen kann. Für ihn ist nur das wahr, was er empirisch nachweisen kann. Er befindet sich auf der Stufe des Empirikers. Er ist eingebildet und rümpft die Nase über die unwissenden Nachläufer der Stufe 1.
Dabei bewegt er sich auch im Raum der Meinungen und der Scheinwirklichkeit, in der Höhle, denn nach Platon ist die Wirklichkeit der Empirie nicht zugänglich. [Über diesen Punkt streiten sich bis heute die Geister.]
3. Der Mensch tritt in die wirkliche Wirklichkeit des Denkens hinein, indem er die Höhle, die Welt der Scheinwirklichkeit verläßt. Er hat die Stufe des selbständigen Denkens erreicht. Er denkt nach. Nach-denken, das bedeutet für ihn, einen Weg nachzugehen, statt ihn sich nur beschreiben zu lassen, und ihn danach zu beurteilen: "War der Weg gut?"
Nun denkt der Mensch Meinungen nach und prüft empirische Fakten. Und er macht sich seine eingenen Hypothesen, die er dann auch wieder nach-denkt. Er analysiert mit seinem Verstand die Fakten. Zunächst schaut er noch durch das Wasser, zunächst entwickelt sich sein selbständiges Denken erst, dann kann er die Gegenstände, die Theorien direkt wahrnehmen und sein Denken vervollkommnen.
Er beginnt zu ahnen, was wahr und was gut ist. Nur wenige erreichen laut Platon dieses Stadium und noch weniger das nächste.
4. Der Mensch vervollkommnet sein Denken in Richtung auf das Schauen. Er bildet sich nicht nur noch Hypothesen, sondern er schaut. Er schaut die eigentliche Wirklichkeit, die Wirklichkeit der Ideen, zunehmend klarer, je mehr er in die Sonne hineinschaut.
Diese einzig wirklich wirkliche Wirklichkeit der Ideen kann man nur intuitiv schauen. In einem stufenweisen Prozeß verwandelt er sein Denken in ein intuitiven Schauen, ein vertieftes Denken.
Erst, wenn er in die Sonne schauen kann ist sein Denken vollkommen in das Schauen übergegangen. Aber das Schauen ist schmerzhaft, es ist schwieriger als das Nachdenken. Die Erkenntnis ist intuitiv, sie entgleitet meiner Kontrolle, beim selbständigen Nachdenken bin ich wenigstens noch mein eigener Chef. [Ist das Schauen die Ebene der Vernunft??]
Die ersten drei Stufen ging die abendländische Zukunft weitgehend mit, nur bei der vierten scheiden sich die Geister. Die Platoniker und Neuplatoniker und Philosophen ähnlicher Richtungen verfechten diese vierte Stufe mit glühender Leidenschaft. Die Anhänger der Philosophie von Aristoteles und später daraus hervorgegangener ähnlicher Strömungen der Philsosophie bekämpfen sie ebenso heftig, wie die anderen sie verteidigen.
Der Weg des Menschen zur Erkenntnis ist dabei - laut Platon - ein Leidensweg. Platon betreibt somit eigentlich Menschenquälerei, indem er dem Menschen eine solche Entwicklung abverlangt. Er verhält sich damit ausgesprochen sadistisch. Warum will er das Glück derjenigen zerstören, die mit ihren Meinungen und ihrer zwar falschen, aber auch einfacheren Sicht der Wirklichkeit vielleicht ganz zufrieden sind? [Sind sie das wirklich? spüren sie ihre Fesseln nicht?] Warum tut er das nur?
Weil der Mensch, so denkt er, denken muß. Er muß Denken, weil er Mensch ist. [Muß er denken, damit er Mensch ist? Damit würde man allen Menschen, die nicht denken können, oder vielmehr denen, denen man dies nachsagt - z.B. Geistigbehinderte - ihr Menschsein aberkennen. Und das ist eine nicht gerade harmlose Auffassung...]
Platon hat dem Westen, den Menschen im Westen das Denken gebracht, das immer wieder quälende Nachdenken und Überprüfen, das Hinterfragen und das Schauen. Soll man ihm jetzt dankbar dafür sein, glücklich darüber, daß es ihn gegeben hat? Oder ihn als Geißel der Menschheit bezeichnen? [Ist das Denken wirklich so schlimm?]
Obwohl der Mensch darauf vorbereitet werden kann, in die Sonne zu schauen, die Idee des Guten, von der Sonne repräsentiert, intuitiv zu erfassen, muß er diesen letzen Schritt doch selbst gehen (vgl. Sokrates).
Die Vorbereitungen bestehen aus Unterricht in allen wichtigen Fächern, indem man sich zum Beispiel die Frage stellt, warum man nicht aus allen Zahlen die Wurzel ziehen kann, die ganzzahlig ist. Oder: Warum man die Diagonale eines Quadrates mit der Seitenlänge 1 cm zum Beispiel nicht ausmessen kann, weil die Zahl, die sich dann ergibt unendlich viele Nachkommastellen hat. Über diese Fragen kommt man vielleicht der Idee der Zahl, dem Wesen der Zahl näher. Ebenso funktioniert das womöglich in anderen Bereichen.
5. Dezember 1994
Bildung (padeia) - den gefesselten Menschen zur Sonne führen, ihn von der Meinung zum selbständigen Denken und zum Schauen der Ideen führen
Was ist das Gute? losgelöst von Beispielen. Das Gute als einzige Idee, die es gibt. Wer die Idee des Guten geschaut hat, kennt auch alle anderen Ideen: Schaue das Gute und dann mach, was Du willst, denn dann handelst Du automatisch gut.
Wie schaue ich das Gute? Bei diesem letzten Weg ist der Mensch einsam, alleingelassen. Man kann ihn bis vor das Gute führen, den letzten Schritt muß er selbst in völlig allein gehen.
Platon kennt den Begriff des Willens nicht: das Gute geschaut - das Gute wollen - gut handeln. Die Bildung, der Vorgang des Hinstrebens auf die Ideenschau, führt zu gutem, zu tugendhaftem Handeln. Aber Tugend ist nicht lehrbar, denn den letzten Schritt muß der Schüler alleine gehen (vgl. Sokrates: Tugend ist lehrbar).
Platon und Sophisten, Gegner, unterschiedliche Tugendbegriffe. Platon: Tugend = Ideenschau. Sophisten: Tugend = gutes Verhalten, Fertigkeiten und Fähigkeiten, das Leben zu meistern.
Laut Platon wehrt sich der Mensch gegen die Bildung, er will nicht aus seiner bequemen Höhle heraus. Bildung - permantes sich Abquälen bei Schüler und Lehrer. Der Lehrer muß immer provozieren und die Schüler zur Bildung hinziehen: Ein gewohntes Denken zu verlassen tut weh (es blendet wie das Sonnenlicht). Der Handwerker tut etwas, das man danach sehen kann, der Denkende sitzt einfach nur da und tut nichts. [Krenzer: Da kann man schon Komplexe kriegen.]
Die Ungebildeten sträuben sich vor Bildung, die Gebildeten wollen nicht mehr in die Höhle zurück, um die Ungebildeten herauszuholen, sie wollen nicht mehr von ihrer sSicht der wirklichen Wirklichkeit weg, wollen nicht Lehrer sein. Die Arroganz der Gebildeten? Ich will nicht mehr zuürck in den Mief der Höhle, aber die Liebe zur Bildung sollte mich veranlassen zurückzugehen und Bildung zu vermitteln.
Bildung - Faszination und Arroganz?
Eine noch vertieftere Sicht des Höhlengleichnisses
Tragödie der Padeia, der Bildung: Du mußt aus der Höhle raus und in die Sonne schauen, doch nur die wenigsten schaffen es bis dorthin. Daher: Höchstwahrscheinlich wirst Du scheitern, Du mußt dich bilden, wirst dabei aber mit aller Wahrscheinlichkeit irgendwann scheitern, nur die wenigsten kommen bis zur Ideenschau. Daher beschreibt das Höhlengleichnis ein Ereignis von weltgeschichtlicher Bedeutung für das Abendland. Menschen die unaufhörlich streben und dann scheitern und daran kaputtgehen. Sinnbild dafür: Goethes Faust, der zuerst nach der Wahrheit strebt, dann aufgibt und sich dem Leben hingibt, sich am Ende fragte, was das Ganze eigentlich sollte.
Dann aber am Ende von Goethe: Wer ewig strebt, den können wir erlösen. Der Sinn des Seins - Bildung und Denken, logos und krisis, Denken und Krise des Seins. Heute: schrankenlose Verfügbarkeit, Gestaltbarkeit und Berechenbarkeit des Seienden. Vergessen wir darüber das Sein ? Was ist Sein eigentlich?
Bildung - menschlich werden, oder sich der Menschlichkeit entziehen. [Ist nicht jeder Mensch zunächst einmal menschlich??]. Heute: Abstand vom Ursprung? Menschlichkeit = Gebildetsein? [Kann man Menschlichkeit darauf reduzieren?]
4. Vorlesung: Das Erziehungsdenken des Aritoteles
Einiges zur Biographie
Aristoteles hat das Abendland möglicherweise mehr geprägt als Platon.
Er lebte von 384-321 v. Chr., sein Vater Aminthas war Leibarzt beim König von Mazedonien. Seine Frau hieß Pydias, die Tochter auch. Er hatte auch einen Adoptivsohn, Nikanor, den er später mit seiner Tochter Pydias verheiratete. Mit einer anderen Frau hatte er später noch einen unehelichen Sohn.
Griechenland war damals ein Fleckenteppich von Stadtstaaten mit gemeinsamer Sprache, Götterwelt und einen gemeinsamen Homer, heilige Schrift und Geschichtsbuch zugleich [wie die Bibel].
Aristoteles war Sokrates bedeutendster Schüler. Mit 17 Jahren kam er an die Akademie Platons, wo er bis zu Platons Tod 348 blieb, also etwa 20 Jahre. Zunächst war er dort Student und Schüler, später Lehrbeauftragter und Hilfskraft. Platons Nachfolger Spoisippos, Platons Neffe, stellte die Akademie um. Er wollte die Philosophie in die Mathematik einbeziehn, Platon tat es immer anders herum und bezog Teile der Mathematikm in die Philosophie ein. Aristoteles fühlte sich an der Akademie nicht mehr wohl.
Er ging mit einem Akademiefreund und Herrscher in Kleinasien nach Kleinasien. Dort bleib er fünf Jahre. Danach 343 wurde Aristoteles in Mazedonien für drei Jahre der Erzieher von Alexander dem Großen, Sohn Phillipps des 2., der von 359-336 lebte und dann kehrte er nach Athen zurück.
Dort gründete er 335 das Lykeion - Herkunft des Wortes Lyzeum -, das mehr als Platons Akademie eine Forschungsstätte und weniger eine Schule war. 323 wurde Alexander ermordet. Die Lehrer in Aristotels´ Lykeion unterrichteten meisten im Stehen, daher wurden sie Peripatetiker genannt.
Phillipp wollte damals Griechenland unter der Führung von Mazedonien einen, Alexander führte das fort. Athen ließ sich das auch gefallen, bis Alexander starb. Dann verfolgten die, die wollten, daß Griechenland ein Fleckenteppich lose verbundener Einzelstadtstaaten bleibt, Anhänger der Mazedonischen Partei.
Aristoteles, der in Mazedonien geboren wurde und außerdem Erzieher von Alexander war, floh deshalb auf die Insel Eubeia nach Chaltis.
Sein Erziehungsdenken
Aristoteles behandelte Fragen der Erziehung vor allem in seiner "politica". Dort vertritt er folgende Gedangengänge:
1. Zweck der ethischen Bildung ist allein der Staat
2. Einziger Zweck der Erziehung ist das Heranbilden des Zöglings zu einem vollkommenen Bürger.
3. Die Familie ist der Natur nach früher als der Staat. Der Staat kommt nach der Familie, auch im Hinblick auf die Kindererziehung. Dennoch sieht Aristotels eine maximale Anzahl der Geburten vor. Schwangerschaften darüber hinaus sollen abgebrochen werden. [Ein sehr moderner Gedanke.]. Außerdem solle man "nicht ganz normale" Kinder nicht erziehen. [Uh, ist das grausam... Wäre ich dann auch nicht erzogen wurden?]
4. Der Mensch wird das, was er wird, durch die Natur (das Angeborene), die Gewöhnung und die Belehrung.
5. Gewöhnung und Belehrung machen die Erziehung aus. Die Gewöhnung - "tu das", "laß da deine Finger weg" - kommt dabei zuerst, sie soll die Seele auf die Belehrung des Sittlichen vorbereiten. Erst wenn das Gemüt durch Gewöhnung zum Guten geneigt ist, kann die Belehrung erfolgen.
6. Das letzte Ziel für den Menschen ist die vernünftige Ausbildung, die Erziehung zum Denken. Dabei versteht Aritoteles die Erziehung als eine Ergänzung der Natur, d.h. gegen das, was der Mensch mitbringt, darf man nichts machen [das finde ich sehr gut!].
12. Dezember 1994
Aristoteles weiter: Eine allgemeine Ideenwelt als Einheit aller Begriffe ist nicht anzunehmen, vielmehr ist die Allgemeinheit den Individuen immanent und in ihnen verwirklicht. Platon dagegen: Die Seele geht nach den Tod in die Ideenwelt, die eigentliche Welt ist die Ideenwelt, die irdische Welt ist zweitklassig, nur ein Abklatsch von der Ideenwelt.
Hier stellt sich Aristoteles deutlich gegen seinen Lehrer Platon. Für Aristoteles ist die Schönheit in einer Rose, die Freundschaft zwischen zwei Menschen verwirklicht. Man kann die Idee der Freundschaft erkennen und braucht dazu keine jenseitige Welt.
Einwand dagegen: Die konkrete Wirklichkeit ist durch abstraktes Denken nur schwer und unzureichend erfaßbar (Theodor Adorno). Nicht diese Rose, sondern die Schönheit an sich, nicht diese Freundschaft, sondern die Freundschaft allgemein, nicht diese Nicole oder dieser Peter, sondern der Mensch allgemein. Der Begriff der Rose erfaßt nicht die Eigentümlichkeiten, die Individualität einer bestimmten Rose, die Details dieser Rose haben in diesem Denken geringere Bedeutung.
Der Mensch ist wichtiger als dieser Peter, diese Nicole. Die Differenz zwischen der Rose und einer bestimmten Rose, das Individuelle, das von dem Begriff unterdrückte, wird im "Westen", im "Abendland" mißachtet. Der Begriff sei mit dem Gegenstand identisch (Hegel). Sie sind "nur" ein Mensch!! Die unter einen Begriff fallenden "Gegenstände", also z.B. die Menschen Nicole und Peter, sind im Wesentlichen einander gleich. Der Mensch ist vernpnftig, da Peter nicht vernünftig ist, ist er kein Mensch!!! Kinderpsychologie - statt Christianspsychologie, Claudiapsychologie und so weiter. Das Aristotelische prägt uns bis heute!!
Dabei ist das Allgemeine lediglich ein Produkt unseres Denkens. Begriff und Denken sind identisch. Wir leben in einer Welt des Denkens und nicht in einer Welt der Dinge. Durch Abstraktion, durch Weglassen von Eigentümlichkeit, von Individuellem, komme ich immer mehr zum Wesentlichen eines Objekts, zu seiner Substanz. So komme ich z.B. zum wesentlichen einer Freundschaft, zum Wesentlichen der Schönheit.
Die Substanz der Rose: Schönheit, Blume, Lebewesen. Durch das Denken kommen wir in den Dingen zum Wesentlichen, dem Letzten, ihrer Substanz. Heute: Worum geht es denn letzlich? Kommen wir endlich mal zum Wesentlichen?
Die Substanz eines Objekts ist in jedem anderen enthalten und kann von keinem anderen ausgesagt werden.
Konzil von Nizea 325 n.Chr. dazu: Gott ist ein Wesen in drei Personen: Vater, Sohn und heiliger Geist. [Was ist mit der Mutter oder einer Tochter??] Jesus ist wahrer Gott und wahrer Mensch. Inwiefern nun ist ein bestimmter Mensch, ist der Mensch ein wahrer Mensch, eine Person?
Poetius (525 n. Chr. hingerichtet): Definiton der Person als das, was zum Menschen gehört. Der Mensch ist die indivuelle Substanz seiner vernünftigen Natur. Dieses Denken ist auch heute noch sehr dominant. Es handelt sich hierbei um einen grundlegenden Gedanken, den man bei Kant, Hegel, Diltai und vielen anderen mehr wiederfinden kann.
Diese Personendefinition erfolgt vom Substanzbegriff her, nicht von Gott, wie davor üblich. Der Mensch definiert sich nicht mehr von Gott her, sondern aus sich selbst heraus.
Die Person besitzt nicht nur in ihrem Sein Selbständigkeit, sondert sie wendet sich in seiner Tätigkeit sich selbst zu: Ich definiere mich aus mich selbst heraus. Ich bin kein weiterentwickeltes Tier, sondern ein Mensch (als letzte Substanz).
Daher handele ich auch nur aus Selbstwillen gut [Was heißt hier nur??? Brauchts mehr?]. Ich helfe einem anderen nicht, damit ihm geholfen wird, sondern weil ich ein Mensch bin, weil ich mich als Mensch dazu verpflichtet fühle. Ich gebe einem anderen Essen, nicht damit er satt wird, sondern weil ich ein Mensch bin, weil ich es mir schuldig bin: Egoismus, Individualität, Einmaligkeit.
Ich bleibe in mir und für mich in meiner Tätigkeit, ich kann mich zu Selbstbewußtsein und freier Tätigkeit erheben. Ich stelle mich unter den Vorbehalt des Eigenen und handele auch so. Ich handele letztlich egoistisch und die anderen auch.
Doch wo liegt der Maßstab? Das Gemeinsame. Rudolf Krenzer: Der Mensch ist in der Beziehung. Das Aritotelische reicht zum gemeinsamen Leben nicht aus. Was ist, wenn ich mir sage, ich brauche anderen nicht zu helfen, weil ich ein Mensch bin, habe ich das nicht nötig.
[Was ist aber, wenn ich als Mensch immer zu dem Schluß komme, daß ich als Mensch anderen helfen muß, weil ich ein Mensch bin. Daß ich als Mensch aus mir selbst erkenne, daß ich mich aus der Beziehung mit anderen heraus besser definieren kann, weil ich ein Mensch bin. Wenn alle Menschen auf einen so eine ähnliche Auffassung kommen, weil sie Menschen sind, dann reicht das Aritotelische ja doch, oder? Wenn die Substanz des Menschen darin besteht, z.B. gut zu handeln, nach Schönem und nach Freundschaft zu streben, sich auf Beziehungen zu anderen einzulassen, dann sehe ich in dem Aristotelischen keine Schwierigkeiten... Es ist eine Frage des Menschenbildes...]
Aristoteles war auch der Begründer der Logik (zumindest soweit unsere Erkenntnisse reichen). Ihm war das Denken wichtig, er erkannte, daß es Denkgesetze gab, ihm waren die Denkgesetze auch wichtig, weil ihm das Denken wichtig war.
Zwei Beispiele: In einem Syllogismus, einem Vernunftsschluß dürfen nur drei Begriffe vorkommen:
Peter ist Mensch,
Nicole ist Mensch,
beide sind Menschen,
Peter ist Nicole.
Das Fettgedruckte ist richtig, darin sind drei Begriff enthalten. Die vierte Zeile ist nicht mehr zulässig.
Im Schlußsatz darf der Begriff keine größere Ausdehnung haben als im Vorsatz:
Der Löwe ist ein vierfüßiges Tier,
jeder Löwe ist grausam,
jedes vierfüßige Tier ist grausam.
Im Schlußsatz ist der Begriff weiter gefaßt als davor. Deshalb ist dieser Vernunftsschluß nicht zulässig. [Abgesehen davon, weiß ich nicht, ob jeder Löwe grausam ist...]
9. Januar 1995
Aristoteles prägte den neuzeitlichen Wissenschaftsbegriff, indem die Methode eine wesentliche Bedeutung hat. Die Methode ist für Aristoteles ein geregeltes, einheitliches Verfahren zum Erreichen eines bestimmtes Zieles, zum Beispiel die Erforschung einer Sache und so weiter.
Diese Methode legt eine Reihenfolge fest, ein Schritt kommt nach dem anderen, die Einhaltung der Reihenfolge ist wichtig. Durch Nachdenken sollte ein Neuseeländer und ein Deutscher zur gleichen Methode kommen, wenn sie über den gleichen Gegenstand nachdenken. Ein Wissenschaftler in den USA erforscht die Gravitation nach der gleichen Methode wie einer in Rußland, vorausgesetzt, es gebrauchen beide ihr Denken.
Jede Wissenschaft hat ihre eigenen Methoden. Die Aufgabe des Denkens, der Logik besteht darin, allgemeine Richtlinien einer Methode zu erkennen und festzulegen. Dabei gilt wieder, daß Wissenschaftler verschiedener Länder zu den gleichen Ergebnissen kommen müßten.
Aristoteles unterscheidet zwischen dem Gebildeten und dem Wissenden. Der Gebildete ist vertraut mit den Regeln und den Arten der Methode. Er kann geregelt denken. Er hat ein universales Urteilsvermögen, mit dem er unterscheiden kann, ob ein Sachverhalt wissenschaftlich begründet ist oder nicht.
Der Wissende kennt die letzten Prinzipien einer Sache. Aber er ist Spezialist, die Hintergründe fehlen ihm. Er kann nicht begründen, warum das so oder so sein muß. Aristoteles bezeichnete Wissende, die nicht zugleich auch gebildet waren, als Banausen. Er meint damit einen ungebildeten Wissenden, dem die Hintergründe fehlen, der kleinlich denkt und den tieferen Sinn nicht erkennt.
In einem Forschungslabor einer Firma werden zum Beispiel viele Wissende gebraucht. Es geht mehr darum, Wissen anzuwenden, als zu verstehen, was eigentlich dahintersteckt. Wenn jemand sich aber auch außerhalb seines Fachgebietes zurechtfinden will, muß er zugleich gebildet sein.
Der Bildungsbegriff von Aristoteles ist pragmatischer als der Platons. Aristoteles reduzierte Platons Bildungsbegriff gleichsam auf das Realistische. Für ihn ist der Zustand des Gebildetsein für viele erreichbar, das Denken trainierbar. Nicht so wie bei Platon, bei dem nur einige wenige zur Ideenschau fähig werden können.
Aristoteles´ Tugendlehre
Nach Aristoteles ist das höchste Ziel des Menschen die Glückseligkeit. Und diese tritt ein, so denkt er weiter, wenn ein Mensch alle seine Kräfte optimal entfaltet. Wenn jemand dies tut, so verhält er sich tugendhaft.
Die Tugend ist also, sein eigenes vernünftiges Denken zu gebrauchen, um alle seine Fähigkeiten zu enftalten und zwar in optimaler Weise. Der allseits entfaltete Mensch ist tugendhaft und glücklich zugleich.
Die Tugend, das Denken kann nicht gelehrt werden, sondern nur durch permanentes Üben erlernt werden. Die Lehre ist notwendig, der Mensch braucht Hilfe, um sich tugendhaft zu entfalten, aber er muß es letztendlich selbst tun. Weil der Mensch auf Hilfe angewiesen ist, um tugendhaft werden zu können, ist er auf andere angewiesen, braucht er die Gesellschaft, ist er ein zoon politicon, ein soziales Wesen. Der Mensch braucht die anderen, um er selbst sein zu können.
Die höchste Form des Denken ist für Aristoteles das rein spekulative Denken, das Denken das von der Theorie, dem Allgemeinen ausgeht. Aristoteles unterscheidet zwei Arten von Tugenden. Einmal die dialuetischen, von der Vernunft herkommenenden Tugenden, wozu Aristoteles auch die Vernunft zählt, und zum anderen die ethischen Tugenden, bei denen zum Denken noch das Wollen hinzukommt.
Ein Mensch mit ethischen Tugenden handelt aus dem Denken heraus. Aristoteles ist das Denken wichtiger als das Wollen.
5. Vorlesung: Das stoische Erziehungsdenken
Zenon aus Kydion auf Zypern ist der Begründer des Stoizismus, soweit wir das heute wissen. Er wurde etwa 342-334 geboren und starb 270-262. Auch er hat wie Aristoteles und Platon eine eigene Schule gegründet. Aber auf völlig andere Weise.
Er begab sich in eine berühmte mit Bildern des Künstlers Polyknott bemalte Stoa, das ist überdachte mit Säulen abgestützte Einkaufspassage, und redete dort mit den Leuten, die dort einkaufen gingen und bald zum Teil auch einfach nur herkamen, um mit Zenon zu reden.
Da Zenon die Stoa als öffentlichen und damit auch billigen Platz für seine Schule verwendete, nannte man dann später alle, die seinem Beispiel folgten, und ihn selbst natürlich Stoiker. Zenon brauchte also keine Akademie zu unterhalten, wie etwa Aristoteles oder Platon.
Die Stoa ist in erster Linie auf das praktische Leben gerichtet. Es war und ist eine Massenbewegung, ganz anders als Aristolische oder Platonische Philosophie, die Sache einiger weniger war und ist. [Leider.]
War es für Platon und Aristoteles noch sehr wichtig, daß der Mensch in einer Gemeinschaft, der Familie und dem Staat, glücklich wird, so geht es den Stoikern eher um das private Glück, das Glück in den eigenen vier Wänden, das Glück in der Zurückgezogenheit. Sie wollten vor allem vermitteln, wie man mit sich selbst zufrieden sein kann.
Die Stoa hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Christentum und wird daher oft mit ihm verwechelt. Das ist verständlich, wird doch die spätere Stoa auf die Jahre um das Jahr 0 datiert.
Die meisten Stoiker waren keine orginellen Philosophen, sondern kannten andere Philosophen und stellten ihre Ideen neu zusammen, nahmen von dort etwas, und von diesem Philosophen etwas, fügten das zusammen und fomulierten es neu. Dabei war ihnen immer die Ausrichtung auf das praktische Leben wichtig. Auch, wenn die Stoiker nicht originell waren, was ihre eigenen Ideen anbetrifft, so waren sie doch genial in ihren philosophischen Zusammenstellungen.
Die Stoa war eine Massenbewegung und umfaßte Menschen in völlig verschiedenen Lebensverhältnissen und mit unterschiedlichen Auffassungen. Das spiegelt sich darin nieder, wer alles stoischer Philosoph war. In der späteren, der römischen Stoa gab es zum Beispiel sowohl einen gebildeten Sklaven als Philosophen, Epiktet, als auch einen römischen Kaiser, Marc Aurel, oder einen, der einen Kaiser ausbildete, nämlich Nerus.
Die Frage, warum auf die großen Philosophen wie Aristoteles oder Platon diese Bewegung folgte und nicht ein weiterer so großer Philosoph, ist bis heute ungeklärt.
Das stoische philosophische und pädagogische Denken reicht weit unauffälliger und in noch größerem Ausmaß als das Aristotelische oder Platonische Denken bis in unsere Zeit hinein. Den meisten Menschen ist es gar nicht bewußt, wie oft und wo überall sie stoisch denken. Auch Kant und Hegel waren Stoiker!
16. Januar 1995
Während Aristoteles´ und Platons Interesse eher dem spekulativen Denken galt, war die Stoa nicht nur in erster Linie auf das praktische Leben gerichtet, sondern auch auf den stoischen Weisen, der sein Glück im Privatleben, in seiner Zurückgezogenheit sucht. Nicht der Politiker war Gegenstand philosophischer Betrachtung, auch nicht der Staat wie bei Platon und Aristoteles, sondern das Leben in den eigenen vier Wänden. Hauptforderung aller Stoiker war: "Werde ein Weiser!"
Die stoische Philosophie war auf alle Menschen gerichtet, jeder konnte Weiser werden, ob nun Hausfrau, oder Sklave oder ein Kaiser. Es ging den Stoikern darum das "Küchenproblem" zu lösen, herauszufinden, wie man sein Privatleben glücklich gestalten kann. Die stoische Philosophie hat damit unter anderen eine gewisse Ähnlichkeit zum Christentum. So mancher, der von sich sagt, er sei immer ein guter Christ gewesen, war in Wirklichkeit eigentlich Stoiker!
Die Frage, wie und weshalb die Stoa entstand, kann bis heute nicht eindeutig und zufriedenstellend geklärt werden. Eine weit verbreitete Hypothese besagt: Einige griechische Südstaaten riefen Philipp II. von Mazedonien, dem sich im Norden Griechenlands bildenden Reiches, in dem Phillipp alle griechischen Kleinstaaten unter seiner Oberherrschaft zusammenführen wollte, um Hilfe, um einen anderen griechischen Kleinstaat, den sie des Religionsfrevels anklagten, zu bestrafen.
Dabei war der Vorwurf des Religionsfrevel nur ein Vorwand, um mit diesem Kleinstaat Streit anfangen zu können. Philipp kam aber und regelte den Streit dann friedlich. Danach weigert er sich aber mit seinen Truppen wieder abzuziehen. Athen und Theben holten also Philipp und wurden ihn danach nicht mehr los.
Sie fingen dann einen Krieg mit Mazedonien an, die Schlacht von Charonea, die sie verloren. So fiel Hellas, das damalige Südgriechenland, also der Fleckenteppich von Stadtstaaten, an Mazedonien. Damit verbinden nun einige den Niedergang der griechischen Philosophie. Unter dem Verlust der äußeren Freiheit litt - so die These - auch die innere, geistige Selbständigkeit.
Damit fängt das an, was Historiker das hellenistische Zeitalter nennen. [Das versteh ich aber nicht so ganz, Hellas wurde doch gerade erobert...]. Wo vorher alle Wissenschaften der Philosophie dienten, entwickelten sich jetzt die Wissenschaften zu eigenständigen Fachwissenschaften hin.
Alexandrien wurde der Hauptsitz für die Ausübung der Fachwissenschaften. Nach dem Tod von Alexander zerfiel das Mazedonische Reich wieder, genauso schnell, wie es errichtet wurde.
Tolämea sicherte sich einen Teil des Reiches und baute Pergamon aus. In Alexandrien wurde das Museion gebaut, ein Ort für die Musen, die Wissenschaften. Diese beiden Städte wurden zu erbitterten Rivalen. Alexandrien versuchte die Wissenschaften in Pergamon unmöglich zu machen, indem sie keine Blätter von den Papayrusstauden, aus denen damals das Papier bestand, mehr an Pergamon zu liefern.
Unter dem Druck dieses Embargos entwickelten die Pergamonter jedoch ihr eigenes Papier, das Pergamentpapier aus gegerbten Tierfellen.
Das hellenistische Denken prägte dann auch das spätere Römerreich, das sich dann das Mazedonische Reich einverleibte. Es wurde modern in Rom, griechisch zu sprechen und die griechische Philosophie zu lehren. Das ging soweit, daß einige Senatoren aus Angst vor einer Überwucherung des römischen Denkens durch das griechische Denken eine Revolte versuchten, die jedoch ziemlich erfolglos blieb.
Latein galt quasi als "Bauernsprache", als einfache Sprache vom Lande, und das Griechische war die Kultursprache.
Auch das national gefärbte Menschenideal des Hellenismus griff über. Man sah sich nicht mehr als Athener, Korynther, Grieche oder Römer. Man nahm sich eher als "Weltbürger des Mittelmeerraumes", als Kosmopolit war. Es war nicht mehr so wichtig, von wo her man kam, sondern welche Sprache man sprach und welche Auffassung man hatte. Es gab einfach eine Familie um das Mittelmeer, deren Mitglieder die gleiche Sprache und die gleichen Götter hatten.
Die Götterreligionen verloren zu dieser Zeit auch an Kraft. Die Philosophen übernahmen öfter als früher die Rolle des Seelsorgers. Es gab weniger Philosophie und mehr Lebensanschauung. Auch das mag einen Teil zur Entstehung der Stoa beigetragen haben.
Die Stoa richtete den Blick auf die Mitmenschen. Stoiker, die in mancherlei Hinsicht tatsächlich Seelsorger waren, befaßten sich mit der faktischen Lebensführung. Sie erkannten, daß die Menschen bisher trotz der Forderung nach Vernunft bei Aristoteles oder Kant nicht vernünftig lebten. Die Philosophie Aristoteles´ und Platons ging an der Mehrheit vorbei, weil sie nur in kleinen Kreisen gepflegt wurde.
Die Stoiker entwarfen eine ausführliche Lehre von der menschlichen Verkehrtheit, der Abkehr des Menschen von der Vernunft, vom Logos, dem sprachgewordenen Denken, die er doch so heftig einfordert.
Daher bemühten sich die Stoiker um den Ausbau einer Grammatik und einer Logik auf der Basis der Vorarbeit von Aristoteles. Diese von den Stoikern entwickelte Grammatik sollte später verbindlich werden.
Die Stoiker wollten den Widerspruch, die Spannung zwischen der Logoszugehörigkeit des Menschen, die sie postulierten, und seinem faktischen Verhalten auflösen. Der Weise war für sie ein Mensch, der das konnte. Ihnen war klar, daß man die Probleme nicht wegschaffen konnte, sie aber unter einem anderen Blickwinkel betrachten konnte.
Ein Weiser mit starken Logos widersteht allen Versuchungen. Er spricht nicht aus Schwäche oder Faulheit einem falschen Gedanken zu, läuft nicht der Meinung nach, denkt und handelt aus der Weltvernunft heraus.
Er weiß, daß ihm die äußeren Dinge weder nutzen noch schaden können, daß sie ihn nicht berühren können. Eine übliches Gespräch mit einem Stoiker wäre zum Beispiel: "Du hast Dein Vermögen verloren? Letztlich schadet Dir das nicht. Du bist noch da, Dir geht es gut. Sag Dir einfach, Du wolltest Dein Vermögen verlieren."
Der Weise ist so gegen Beleidigungen und Unrecht gefeit. [Oder nimmt er es vielleicht einfach hin?] Er lebt nach dem Motto: Unrecht tut Dir einer nur, wenn Du es als Unrecht empfindest.
In dieser Hinsicht ist der Weise frei und glückselig, er entwickelt die Kraft dazu aus ihm selbst heraus. (Gnadenlehre Luthers: Der Christ ist frei in der Gnade Gottes.)
Nach der Stoa ist die Tugend nach der Vernunft die höchste Aufgabe des Menschen. Einige Stoiker haben formuliert:
- Der Mensch ist von Natur aus gut, er wird verkehrt durch unvernünftige Lebensweise und schlechte Erziehung, die dem Ziel der Lust zu folgen dient (siehe auch Rousseau!).
- Das ursprüngliche Gute als Maß und Ziel des Menschen wird durch Leidenschaften und Lust verdorben. Versage Dir deshalb alles Lustvolle! [Das ist doch grausam, sich alles Lustvolle zu versagen!]
- Die Gesellschaft, die von der Meinung lebt, täuscht sich selbst: sie tut so, als wäre sie vernünftig
- Dem Anschein nach wird die wirkliche Wahrheit gesagt. Lehrer, Proffessoren, Dichter, Journalisten: Wir halten euch den Spiegel vor. Aber eigentlich lügen alle, alle die sagen, ich weiß, wie es richtig ist, alle, die sagen, meins ist wahr (und alles andere damit falsch). Alles ist wert, nachgedacht zu werden. Vernunft statt Meinung.
Der Weise muß sich von der Meinung distanzieren und unbekümmert als Weiser seinen eigenen Weg gehen. Darin liegt aber auch die Gefahr der Arroganz, die der Weise unbedingt meiden muß. Er muß sich immer wieder sagen, daß er nicht das Maß aller Dinge ist.
Zum stoischen Physisbegriff: Die Physis ist das, was alles Seiende sein läßt. Sie ist der Schöpfungsgeist, Gott. Wir sind da, weil die Physis uns das erlaubt hat. Physis, Natur als künstlerische Macht, die hervorbringen und auch zerstören kann: Blumen blühen und verwelken. Ein weiterer Begriff für die Physis ist der Kosmos, was übersetzt so viel wie Schmuck bedeutet. Der Kosmos das ist ein Organismus mit seinem Organen. Der Kosmos, das ist Harmonie.
Die Physis umgreift alles als eine Ordnung, sie macht aus allem ein Ganzen, schafft Harmonie (vgl. Leibnis prästabilisierte Harmonie). Sie ist der ordnende Geist. Alles findet seinen Ort und seine Beziehung zu allen anderen Dingen durch die Physis. Die Physis weist jedem seinen Ort zu. Wer diesen, seinen Ort findet, der ist daheim.
Der Weise hat diesen Ort gefunden. Sei mit Deinem Platz zufrieden, dann bist Du glücklich, das ist die Botschaft der Stoa.
Jeder, jedes hat seine eigene Bedeutung und steht in Beziehung zu allem anderen, nur dadurch läßt die Physis etwas existieren. Letztlich ist der stoische Mensch nur stoischer Mensch, wenn er das erkennt. Der Mensch ist ein Kosmos im Kosmos.
Zum Logosbegriff: Daher muß die Physis als Logos angesprochen werden. Alles Reden, alle Worte sind nur wahr, wenn sie dem Logos nachsprechen. Die Physis ist zugleich der Logos. Der Logos ist die Weltvernunft, der Schöpfungsgeist. Im Johannes-Evangelium wird Christus einmal als Logos bezeichnet.
Der Logos gibt den Dingen seinen Sinn.
23. Januar 1995
Gestörte Physis, gestörte Ordnung in mir - wenn das eintritt, dann sterbe ich. Wenn Menschen eine Blumenwiese zerstören, dann zerstören sie eigentlich die Ordnung dort und erst dann zerstört die Physis die Blumenwiese. Wo der Kosmos, die Physis nicht sein kann, zum Beispiel weil sie durch den Menschen gestört wird, gibt es Probleme. (Vergleiche Leibniz - Monaden sind verbunden durch prästabilisierte Harmonie.)
Die Physis gewährt das Sein des Seienden. Ich kann nur da sein, weil ich bin, weil die Physis mich sein läßt. Ich bin im Verhältnis zu dem anderen Seienden. Nach dem Physisverständnis bin ich nur in dem Maße Mensch, in dem ich erkenne, daß ich ihn Verhältnis zu dem anderen Seienden stehe.
Die Physis hat uns so gemacht, daß wir andere Menschen brauchen, genauso wie wir die Sterne, eine Blumenwiese und so weiter brauchen. Es kommt darauf das zu akzeptieren, den Menschen zu akzeptieren, das andere zu akzeptieren, ihm helfen.
Der Logos bildet die Einheit von Sprache und Denken, daher muß ich die Physis als Logos ansprechen. Logos - logisch, ich spreche logisch, wahr, wenn ich in der Physis bin, und nur dann. Der Logos ist die Weltvernunft, der Weltengeist, der schöpferische Gestalter, der die Schöpfung durchwaltet, die göttliche Vernunft.
Der Logos des Menschen ist ein Abbild des Weltenlogos.
Die Erziehung im stoischen Denken
Es ist die Aufgabe des Menschen, sich dem Weltenlogos zu öffnen, damit dieser in ihm als sein individueller Logos zur Vernunft wird. Ich kann einen Mitmenschen demütigen oder gar töten, eine Blume zerstören, aber wenn ich mich dem Weltenlogos öffne, werde ich so etwas nie tun.
(Kant - praktische Vernunft - der Weltenlogos in mir sagt, wie ich mich verhalten muß, um sittlich zu sein. Kategorischer Imperativ - Pflichten und Rechte, wenn ich der Vernunft folge, dann bin ich sittlich. Wenn alle dies tun, dann gibt es keine Kriege mehr, keine Hungernden und so weiter, dann brauche ich keine 10 Gebote mehr.)
Meditiere, denke in Ruhe nach, öffne Dich der Weltvernunft und Du weißt, was Du tun mußt und Du weißt um Ordnung, Wahrheit, Schönheit, Gerechtigkeit und so weiter. (Kant - Credo der Aufklärung)
Stoische Identität - Physis, Logos, Kosmos. Das Walten der Physis geschieht nicht blind, die Physis ist auch Schicksal und Vorsehung. Öffne Dich dem Weltenlogos und folge ihm! (Dein Schicksal ist vorgegeben.) Erkenne Dein Schicksal, dann handelst Du weise und richtig. (Christentum: Das Christentum hat kein Schicksal. Freiheit in der Gnade. Du bekommst die Gnade, egal was Du tust.)
Das Wort des gebildeten Menschen muß den Weltenlogos wieder geben, aus ihm heraus gesprochen sein. Nur dann ist jemand ehrlich und wahrhaftig.
Bildung, das bedeutet für de Stoiker, dem Menschen zu helfen, sich dem Weltenlogos zu öffnen. Eine schwierige Aufgabe, wer kann das schon, wo geschieht so etwas praktisch schon, könnte man einwenden (Goethe).
Wie geht das mit dem Sich-Öffnen, wo Sokrates doch sagt, die Bildung sei dem Lehrvorgang entzogen? Die Stoiker denken dazu: Der Mensch soll durch Schulung der Sprache fähig werden, den Logos treffend auszudrücken, damit er das sagen kann, was die Vernunft ihm eingibt.
Zur Welt gehört der Weltenlogos, nicht die äußere Welt, die ist damit nicht gemeint. Sagen können, was man denkt, das ist wichtig. Die Welt ist nicht nur die Welt um uns herum, sondern auch die Welt in uns. Auch über diese so wichtige innere Welt können wir verfügen.
Das Baby kommt laut den Stoikern bildungsbedürftig zur Welt und ist in der ihm gegebenen Zeitlichkeit gut. Nur findet der Mensch oft nicht das rechte Verhältnis zur Zeit (vgl. Montessori - demolarisierte Kinder, Rousseau). Geh, spiel jetzt mal mit dem und dann mit dem!! Ohne Rücksicht darauf, ob das Kind auch gerade jetzt damit spielen will, oder es noch oder schon kein Interesse mehr dafür hat.
Der Mensch mißachtet allzuoft die ihm gegebene Zeitlichkeit. Oft verschwendet er seine Zeit. Jedem Menschen ist seine Lebenszeit als Schatz mitgegeben, jeder soll, kann, darf darüber verfügen und seine Zeit frei verwalten, um seine Vernunft, seine Menschlichkeit zu erreichen.
Wer kein rechtes Verhältnis zur Zeit findet, der ist oft ziellos, flieht vor sich selbst und kann seine eigenen Fähigkeiten und Grenzen nicht erkennen. Hörigkeit, Abhängigkeit, innere Ruhelosigkeit können die Folgen eines falschen Zeitverständnisses sein.
All das muß man sehen vor dem Hintergrund der stoischen Forderung nach Menschlichkeit! Der Mensch kann, darf, soll seine Zeit, über die er frei verfügen dann, in bestmöglichster Form dazu verwenden, seine Menschlichkeit und Vernunft auszubilden und zu stärken.
Da ist die zweite Aufgabe der Bildung zu sehen. Die Bildung muß den Menschen ein gutes Verhältnis zur eigenen Lebenszeit vermitteln. Gerade in der damaligen Zeit war das anscheinend besonders wichtig. So klagte zum Beispiel Seneca über die Bildungslosigkiet seiner Zeit: "Gute Flötenspieler, gute Trompeter haben Zulauf, aber dort, wo man lernt, wie man ein sittlich guter Mensch wird, sitzen nur ganz wenige." [Hatte Seneca etwas gegen Musik?] (Sammlung Dietrich Band 53)
Aus dem Zeitverständnis heraus entwickelt die Stoa den Begriff des Wollens, der so vorher nicht da war. Wo bei Platon das Schauen das Wollen beinhaltet, also alles Geschaute auch automatisch gewollt wird, wird in der Stoa das Wollen zu einer selbständigen Größe, einem neuen Begriff. Das Wollen erhält eine eigenständige Bedeutung.
Vor allem in der späten, der römischen Stoa wurde der Wille als etwas Selbständiges, etwas Eigenständiges erkannt.
30. Januar 1995
Menschen finden nicht das rechte Verhältnis zur Zeit. Rousseau: "Der Lehrer muß seine Zeit weise an den Schüler verlieren können." (Emil) Man kann seine Zeit auch verschwenden, indem man sich zum Sklaven macht. Ich interesse mich dafür, muß aber eigentlich weiter. Von einer Sache zu anderen hetzen.
Jeder hat seine Zeit [vgl. Momo von Michael Ende]. Das gehört mit zu Erziehung. Die eigene Zeit verwenden, um die eigene Menschlichkeit, Vernünftigkeit zu vollenden. Leider spielt dieser Aspekt in der Schule oft keine Rolle, da heißt es nur: "Jetzt machen wir mal das und dann das. Ich muß den Stoff ja durchbringen."
Ein falsches Verhältnis zur Zeit führt zu einer allgemeinen, unmenchlichen Ziellosigkeit: Durch Hetze das Zeil aus den Augen verlieren. Flucht vor sich selbst, Flucht aus der Verantwortung , Flucht vor der Zeit, Flucht in die - manchmal doch ach so angenehme - Unmündigkeit [vgl. Grönemayer: Sprünge, Angst].
Deshalb wichtig: Hinführung zu einen angemessenen Zeitverständnis, Hinausführen aus der Ziellosigkeit als pädagogische Aufgabe.
Aus den Schwächen des Menschen heraus entwickelten die Stoiker, und zwar die der späten, der römischen Stoa, als erste klar und deutlich sichtbar den Begriff des Willens. Der Begriff des Willens kommt aus der späten, römischen Stoa! Bei Platon beeinhaltete das Schauen einer Idee auch zugleich das Wollen einer Idee. Von einen vom Denken getrennten Wollen kann bei ihm nicht die Rede sein; ähnlich ist es bei Aristoteles.
Dem Logos tritt die Idee selbständig gegenüber. Der Mensch steht nicht mehr primär unter dem Logos, unter der Vernunft, sondern unter dem Willen und dem Logos.
Dritte Stufe des Höhlengleichnisses bei Platon: Aus der dianeua heraus Hypothesen bilden, um die Wahrheit zu erkennen. Aus der selben Kraft, der dianeua, heraus zusätzlich eine rechte Besonnenheit entwickeln. Diese letzere Art der dianeua übersetzt Seneca als voluntas, Willen. Hypothesen ehrlich aufstellen aus dem Verlangen heraus, die Wahrheit zu erkennen, das mache ich nicht nur für mich selbst, sondern auch für andere. Diese können meine Hypothesen nachvollziehen, müssen dies aber nicht, wenn sie sie nicht nachvollziehen wollen.
Seneca: Wenn sie meine Hypothesen nachvollziehen wollen, so gelangen sie zur rechten Besonnenheit. Alle die in der 3. Stufe des Höhlengleichnisses hängenbleiben wollen nicht weiter beziehungsweise geben der eigenen Bequemlichkeit nach.
Das ist für Seneca noch kein richtiges Wollen, das Der-eigenen-Bequemlichkeit-nachgeben. Nur wer weiter will, wer die Ideen auch schauen will, wer die Stufe der Hypothesenbildung hinter sich lassen will, der will zum ersten Mal wirklich etwas und ist sich nicht zu bequem dazu.
Nötig zum Gutsein ist der Wille, aber Wollen ist keine Sache des Denkens. Die Selbsterziehung, die man braucht, um aus dem momentanen guten Willen einen permanenten guten Willen zu machen, ist mühsam und anstrengend. Um das zu können muß man um das Gute wissen. Doch um das Gute zu wissen allein reicht nicht aus, erst wenn das Wollen dazukommt, kann es mit dem Guten was werden.
Das Wollen steht also vor dem Wissen, es ist Voraussetzung für jegliches gutes Handeln. Ich kann wissen, was gut ist, ohne gut sein zu wollen. Das war vorher so nicht gedacht worden, weder von Platon noch von Aristoteles.
Platon dachte andersherum: Wenn ich um das Gute weiß, dann will ich es auch. Die Ansicht, wenn Du glauben willst, dann lese die Heilige Schrift und geh studieren, gehört auch hierher.
Luther wiederherum dachte in diesem Aspekt stoisch: Wenn Du glauben willst, dann tue das, Dein Wille allein ist zunächst mal wichtig. Die Heilige Schrift lesen kannst Du dann immernoch.
Nach der Entdeckung des Willens durch die späte Stoa, durch Seneca beschäftigten sich viele mit diesem Thema. Einige dachten eher stoisch, zum Beispiel Augustinus oder Erasmus von Rotterdam in ihren Aufsätzen "Über den freien Willen", andere wieder maßen dem Wissen und dem Denken eine größere Bedeutung zu. Dieser Streit geht bis heute und ist immer noch ungeklärt.
Dennoch entwickelte sich die Geistesgeschichte fortan eher in die Richtung hin, die Priorität des Wollens, wie sie von der Stoa gefordert wird, anzunehmen.
Wenn jemand immer, permanent das Gleiche will, so steht er im Einklang mit dem Logos, so Seneca. Für ihn ist wichtig, bei seinem Willen zu bleiben und ihn nicht aus Bequemlichkeit oder Feigheit aufzugeben. Ich will das Richtige, wenn ich es immer will. So kann man prüfen, ob man das Richtige will, meinte Seneca. Nur wenn ich das Gute will, bin ich von meinem Wollen so überzeugt, daß ich dabei bleibe. [Kann man von seinem Willen auch zu überzeugt sein? Stur und uneinsichtig?]
Die Wende zur Priorität des Wollens hin, beeinflußte die gesamte folgende Geistesgeschichte des Abendlandes. Der Wille tritt immer mehr in den Vordergrund. Bis zu der Meinung, daß nur das, was ich will, wahr ist. Oder gar bis zur mitunter nicht ganz ungefährlichen Überzeugung, daß nur das, was ich will, existiert.
Dann kann man auch denken, daß nur diejenigen menschlich sind, die ich als Menschen sehen, als Menschen haben will. Ein Beispiel dafür sind Nietzsches Gedanken über den Übermenschen. So habe nur der Übermensch ein Willen, und die Untermenschen nicht.
Augustinus und andere waren bestimmt Kinder diesen Geistes, Nietzsches Denkgebäude greift auf ihre Auffassungen zurück, mißbraucht sie aber meines Erachtens.
Die Auffassung, der Wille sei der Urgrund alles Seienden, ist die Auffassung, bei der der Wille die höchste Priorität gewinnt. Personendefinition von Poetius: Jeder Mensch ist eine Person. Die Person ist die individuelle Substanz der vernünftigen Natur. Diese individuelle Substanz, der Mensch ruht in sich, ist in sich begründet und braucht niemand anderen. Man kann sich überlegen, ob dies diese Auffassung den Menschen einsam macht.
Insofern kann man diese Auffassung, gerade wenn man berücksichtigt, was zum Beispiel Nietzsche daraus gemacht hat, unter diesem Gesichtspunkt auch als eine Hypothek des Abendlandes bezeichnen. Auf der anderen Seite kann man die Forderung nach einem freien Willen, der bis zu einem gewissen Grad vom Denken unabhängig ist, auch als sehr positiv betrachten. Vielleicht kommt es darauf an, wie weit man geht mit dieser Forderung, aber das sei jedem Einzelnen selbst überlassen.
Obwohl mein Denken unter der Herrschaft des Willens steht, [Welch Formulierung!! Wie kann das Denken dann noch frei sein?? Etwa indem der Wille frei ist? Ist er das?] braucht mein Willen auch das Denken. Der Wille braucht ja etwas, also hier das Denken, über das er bestimmen kann, zumindest bis zu einem gewissen Grad. Ähnlich wie Herrscher oder Hausherren oft meinten ihre Sklaven oder Untertanen zu brauchen, um über sie zu herrschen [; und sie vielleicht wirklich brauchten, weil sie nie wirklich frei waren, genausowenig wie ihre Untegebenen.]
Abschließendes Resümeé von Herrn Krenzer: Die Stoa hat uns viel gegeben.
6. Vorlesung: Zur Entwicklung des humanistischen Bildungsbegriffes vor allem bei Isokrates und Cicero
Auch andere stehen in humanistischer Tradition, aber sie erfanden den Humanismus nicht, sondern entwickelten das, was sie vorfanden, weiter. So zum Beispiel: Wilhelm von Humboldt, Melanchthon und andere.
Isokrates - das I vor Sokrates ist richtig, Isokrates ist tatsächlich jemand anderes als Sokrates - lebte von 436 bis 338 vor Christus, wurde also fast 100 Jahre alt. Er war somit auch Zeitgenosse von Platon und Aristoteles. Er war Sohn eines Flöten-Fabrikanten (siehe dazu die Bemerkung von Seneca weiter oben). 393, also 6 Jahre vor Sokrates Hinrichtung und 6 Jahre, nachdem Platon seine Schule gegründet hat, gründete Isokrates eine Rednerschule.
Davor war er Logograph, Gerichtsredenschreiber. Da viele Gerichtsverhandlung damals offentlich vor der Versammlung geführt wurden, mußte jeder der sein Anliegen verteidigen wollte, eine gute Rede halten können. Da dies nicht jedermanns - hier stimmt er wohl wirklich - Sache war, gab es Leute, die für andere solche Reden schrieben. Isokrates war einer von Ihnen.
Also hatte er auch schon Erfahrung mit Reden. Dennoch soll er sehr scheu gewesen sein und einen Sprachfehler gehabt haben.
Seine Schule war sehr beliebt, beliebter als die von Platon, und hatte dementsprechend großen Zulauf. Isokrates lernte bei Georgias, der ebenso ein sehr beliebte Schule hatte. Platon mochte Georgias und auch Isokrates zunächst nicht besonders. Ihn störte, daß die beiden lehrten, wie man seine eigenen Interessen durchsetzen kann.
Georgias war der Auffassung, daß Denken und Sprache nur den Sinn haben, das, was man für richtig halten will, als wahr darzustellen und seine Interessen durchzusetzen. Da Georgias Schule recht beliebt war, konnte er das Lehrgeld recht hoch ansetzen und verdiente dabei gut.
Laut einigen Quellen soll Georgias etwas eitel gewesen sein und als Zeichen seiner Wohlhabenheit einen purpurroten Mantel getragen haben. Er soll über 100 Jahre alt geworden sein. Auch Isokrates ist sehr alt geworden und soll in hohem Alter den Hungertod gewählt haben.
Während die Sophisten die Tugend noch für lehrbar halten und Georgias auch, wendet sich Isokrates dagegen. Das bringt ihn dann auch ein kleines Lob von Platon ein, ein kleines nur, weil Isokrates mit seiner Schule ja immer noch ein Konkurrent war.
Isokrates steht mit am Anfang des Humanismus.
In seinem Höhlengleichnis erwähnte Platon auch, wie man seines Erachtens die vier Stufen seines Gleichnissen vollenden kann. Dazu sei ein ständiges fordern seiner Lehrer und ein ständiges sich Bemühen nötig, und zwar in bestimmten Fächern.
Das ist an sich nichts neues, bestimmte Fächer wurden auch vorher schon für wichtig gehalten. Jedoch wurde dies weiter ausdifferenziert, bis am Ende man zu den sieben freien Künsten kam.
Diesen Begriff prägte Seneca, wobei das frei, die traurige Bedeutung hat, daß diese Künste nur von freien Menschen gelernt werden sollen beziehungsweise können, und von Sklaven eben nicht.
Waren zuvor alle Lehrfächer gleichberechtigt, so hebt Isokrates jetzt die Rhetorik als besonders bedeutsam hervor. Er hebt Rhetorik und Philosophie auf die gleiche Ebene. Cicero geht noch einen Schritt weiter und sagt, Rhetorik und Philosophie seien identisch.
6. Februar 1995
Georgias: Die eigene Sache durch gute Rede als gut und richtig verkaufen, ganz unabhängig davon, ob sie nun wirklich gut und richtig ist. Die Wahrheit spielt keine Rolle, stimmig muß die Rede sein. So zumindest urteilte Platon über Georgias.
Isokrates jedoch hält die Tugend für lehrbar [das verstehe ich nicht, das paßt nicht mit dem von letzter Sitzung zusammen] und sieht die Rede als Mittel der politischen Durchsetzung.
Wo bei Platon die sieben freien Künste im Dienste der Erziehung des Philosophen, des Herrschers stehen, geht Isokrates einen anderen Weg. Ausgehend vom sophistischen Logosbegriff, bei dem Denken und Sprache eine Einheit bilden, stellt er die Rhetorik mit der Philosophie auf eine Stufe.
Wo Georgias von dem selben Hintergrund aus die Sprache, das gute Reden zum Beeinflussen und Manipulieren der Gedanken anderer verwendete, will Isokrates durch die Sprache, durch gutes Sprechen das Denken bilden. Er vertritt die Auffassung, daß durch das Lernen der Sprache das Denken gebildet und geformt wird. Je besser und vollständiger man nun die Sprache lerne, desto besser denke man auch.
Isokrates entwickelte in diesem Zusammenhang den Wissenschaftsbegriff weiter, indem er nun zwei Arten von Wissenschaften unterscheidet: Einmal die aristotelischen Wissenschaften wie Politik, Poetik, Logik, Physik, die auch schon vorher als Wissenschaften angesehen wurden, und zum anderen die isokratischen Wissenschaften, die sieben freie Künste wie zum Beispiel Rhetorik, Dialektik, Grammatik, Geometrie und so weiter.
Die aristotelischen Wissenschaften nützen dem Menschen, so Isokrates, erst dann etwas, wenn er sie beherrscht. Die anderen, die isokratischen Wissenschaften, die septem artes liberales, nützen dem Menschen zunächst mal nicht viel, aber die fördern seine Fähigkeiten, seine Konzentrationsfähigkeit, seine Beharrlichkeit, seinen Mut vor anderen zu sprechen, seine Nachdenklichtkeit, sie üben seine Seele für die Philosophie. Damit stehen sie auf der gleichen Stufe wie die Philosophie, denkt Isokrates.
Heute würde man die isokratischen Wissenschaften wahrscheinlich am ehesten unter dem Begriff der formalen Bildung zusammenfassen. Diese fördern laut Isokrates die Fähigkeiten im Inneren des Menschen.
Dabei stellt Isokrates die Rhetorik als wichtigste der sieben freien Künste nochmal heraus. Sie ist seines Erachtens für die Philosophie die wichtigste isokratische Wissenschaft, denn sie lehrt das gute Reden, und da im Logos Sprache und Denken verbunden sind, auch das gute Denken.
Laut Isokrates braucht man für die Rhetorik eine gewisse Begabung, ein Naturtalent, die Anlage dazu. Dennoch kann jeder zu den gleichen Fertigkeiten gelangen, zu den Fertigkeiten, wie ich sie oben erwähnte. Jeder kann eine wohlklingende Stimm, den Mut vor den anderen zu treten und Beherztheit entwickeln.
Es kann also nicht jeder ein guter Redner werden, da spielt die Begabung eine Rolle, aber die mit dem Erlernen der sieben freien Künste, insbesondere der Rhetorik, gleichzeitig erworbenen Fähigkeiten sind unabhängig von der Begabung.
So kann ist also jeder zu Bildung fähig, die Bildungsfähigkeit ist unabhängig von der Begabung. Nur zum Rhetoriklernen braucht es die Begabung.
Isokrates geht noch weiter, und stellt die isokratischen Wissenschaften mit den aritotelischen auf eine Stufe, nein, er räumt ihnen gar die Priorität über die aristotelischen Wissenschaften ein.
Um das zu begründen, aregumentiert er wie folgt: Wir können in einer bestimmten Situation nicht genau wissen, was wir tun müssen. Wir haben kein metaphysisch sicheres Wissen, was in einer bestimmten Situation zu tun ist, was gut ist und was böse. Damit nimmt er eine völlig andere Haltung ein als Platon, der es für möglich hält, durch die Ideenschau zu diesem sicheren metaphysischen Wissen zu gelangen. Freilich ist dies laut Platon nur einigen wenigen vorbehalten.
Isokrates denkt anders: Keiner kann dieses sichere metaphysische Wissen um das Gute, umd das Schöne, um das Wahre erlangen. Er stellt sich die Frage, ob das, von dem ich annehme, daß es gut sei, auch wirklich gut ist. Woher kann ich das wissen? Damit stimmt er mit Sokrates überein.
Platon löste sich von Sokrates Auffassung von der Unerreichbarkeit des wahren metaphysischen Wissens, die meisten anderen Philosophen stehen in der Tradition von Sokrates, was diesen Aspekt anbetrifft.
Isokrates weiter: Wir können daher nur Meinungen haben. Wir können nur annehmen, daß dieses und jenes gut oder schön oder wahr sei. Wissen aber können wir es nicht. Damit wertet Isokrates gegenüber Platon die Meinung erheblich auf. Bei Platon steht diese, wie auch zuvor schon beschrieben, auf der untersten Stufe seines Höhlengleichnisses.
Dennoch kann man, so Isokrates, mit Beharrlichkeit, mit Konzentrationsfähigkeit und so weiter im Lernen der Rhetorik das Streben nach Wahrheit fördern. Man kann so der Wahrheit immer näher kommen, sie aber nie ganz erreichen. Dabei kann nicht jeder ein guter Redner werden, aber jeder kann in gleichem Maße zur Wahrheit hinstreben.
Wenn dabei jemand nach Überlegenheit gegenüber anderen strebt, so ist das für Isokrates OK, solange man dies aus Arroganz, Überheblichkeit oder Geltungssucht tut. Es ist also legitim, wenn einer sagt, ich will mehr zur Wahrheit hinstreben als alle anderen, solange er dabei nicht denkt, ich will damit mehr gelten, wertvoller sein als alle anderen.
So befindet im Idealfall der bildungswillige Mensch sich ständig auf der Suche nach Wahrheit, die er nicht finden kann, der er sich aber nähern kann.
Wenn jemand in der Rede nach Wahrheit strebt, so strebt er laut Isokrates auch im Handeln nach Wahrheit. So wirkt die Sprache, das Sprechen auf das Denken ein und das Denken auf das Handeln. Oder anders gesagt, vielleicht vereinfacht: Wer gut spricht, der denkt gut. Wer gut denkt, der handelt gut.
Damit wertet Isokrates die Rhetorik, die Kunst zu reden enorm auf. Diente sie bei Georgias und auch bei Isokrates früher noch als Mittel, dem anderen das Wort im Mund rumzudrehen, ihn so aufs Kreuz zu legen, so strebt man beim späteren Isokrates durch sie zur Wahrheit hin.
Wieder unterscheidet sich Isokrates damit vom Platon, bei dem die Rede ziemlich weit unten steht.
So wie ich die Konzentrationsfähigkeit lernen kann, kann ich auch das Streben nach Wahrheit lernen.
Interessant ist dabei auch, daß Isokrates Schule mehr Zulauf fand als die von Platon. Und zudem waren die Rednerschule von Isokrates und die Akademie von Platon nicht mehr als von Kilometer voneinander entfernt.
Bildung, das bedeutet für Isokrates, das Streben nach Wahrheit, ein ganzes Leben lang. Dieser Bildungsbegriff ist vielleicht greifbarer als der von Platon, der von einer metaphysischen Ideenschau spricht.
Je mehr sich ein Mensch um das Lernen der Rhetorik und damit auch um seine Bildung bemüht, desto besser wird er im Rahmen seiner Anlagen reden können, und desto besser wird er unabhängig von seiner Begabung nach der Wahrheit streben können.
Nach Isokrates haben die meisten menschlichen Güter wie die zum Beispiel Beharrlichkeit und Konzentrationsfähigkeit ihrem Ursprung im Logos und damit im Sprechen und im Denken des Menschen.
Cicero
Markus Tullius Cicero lebte von 106 bis 42 vor Christus und damit etwa 300 Jahre später als Isokrates. Er war um das 18. Jahrhundert herum, zur Zeit der Aufklärung sehr populär. Alle Humanisten beziehen sich in der einen oder anderen Weise auf ihn.
1636 wurde in Massachusetts die Harvard-Universität gegründet. Einwanderer aus England, die vorher an der Universität Cambridge studierten, gründeten sie nur 6 Jahre, nachdem sie nach Amerika gezogen sind. Es herrschte noch viel Armut und dennoch gründeten sie eine Uni.
Und obwohl sie tiefgläubige Politaner waren, stellten sie das Lesen von Cicero mit ganz an den Anfang der Studienordnung, die sie für sie Universität Harvard entwickelten. Als später ein Mr. Harvard großzügig Geldmittel für die Uni Harvard - daher hat sie auch ihren Namen - zur Verfügung stellte, wurde sie größer und berühmter und begab sich auf den Weg zur heutigen Uni Harvard.
Cicero war Staatsmann und Redner in Rom. Ein wichtiges Anliegen war ihm, die lateinische Sprache zur Kultursprache zu machen. Dazu übersetzte er viele wichtige Worte aus dem Griechischen ins Lateinische.
Er übersetzte zum Beispiel Kosmos, Welt, Harmonie, Schmuck, in mundus, Welt und Harmonie nur im äußerlichem Sinne, odr Logos, Weltvernunft und Schöpfergeist, ein ratio, Vernunft, Verhältnis, Harmonie in Verhältnissen gesehen. Dabei machten diese Worte einen nicht unerheblichen Bedeutungswandel durch.
Der Begriff Kosmos verlor ein wenig den Aspekt des Schmucks, des Schönen bei der Übersetzung und der Begriff logos den Aspekt des Schöpfergeistes. Auch das mag mit zur Entwicklung der naturwissenschaftlichen Sichtweise beigetragen haben. Auf jeden Fall hat es unser Denken und auch unsere Sprache entscheidend mitgeprägt.
Er entwickelte die klassische lateinische Prosa und machte viele Reisen, unter anderem nach Griechenland, Kleinasien und nach Rhodos und nach Athen. Dorthin schickte er auch seinen Sohn, der in Athen aber weniger ans Studium als ans Vergnügen dachte.
Cicero war zwar wohlhabend, aber nicht reich, und so kam es, daß er das teure Studium seines Sohnes in Athen kaum bezahlen konnte. In Briefen an den Sohn ermahnte er ihn immer wieder sich doch nun endlich mal richtig ans Studieren zu machen und erzählte ihm, was er wieder alles verkaufen mußte, um ihm das Studium zu finanzieren.
Mit 18 Jahren hielt Cicero seine erste Gerichtsrede. Danach bekam er aufgrund seines hohen rhetorischen Talents immer höhere Staatsämter zugestanden. Bis er schließlich mit anderen 63 vor Christus die catilinarische "Verschwörung" aufdeckte und dazu beitrug, die Verantwortlichen auch zur Verantwortung zu ziehen.
Danach überschätzte er sich und seine Position. Er war zu klein, um wirklich ganz oben mit zu mischen, und dies mußte er auf tragische Weise erfahren. Er dachte er könnte sich mit dem Triumvirat von Antonius, Octavius und noch jemand anderem anlegen, doch da irrte er gewaltig.
Ein "Freund" ließ ihn fallen und Antonius, sein Gegner, befahl seinen Soldaten, Cicero zu ermorden. Cicero floh, konnte aber den Soldaten, die ihn verfolgten, nicht entkommen und wurde brutal niedergemetzelt. [Auch damals waren viele Politiker nur hinter der Macht her und entsprechend skrupellos und unmenschlich. Man könnte meinen die Geschichte wiederhole sich und das sei alles schon mal da gewesen.]
Ciceros Gedanken, die einerseits auf die von Isokrates aufbauen, andererseits aber auch neue Elemente enthalten, so daß man nicht einfach sagen kann, Cicero habe nur Isokrates Vorstellungen weiterentwickelt: Cicero wendet sich gegen die Trennung von Rhetorik und Philosophie im Logosbegriff.
Damit geht er einen Schritt weiter als Isokrates. Isokrates sagt, Rhetorik und Philosophie stehen auf der gleichen Stufe. Cicero aber: Rhetorik und Philosophie sind identisch. Er begründet dies damit, daß ein Redner mit großem Geschick und großer Sachkenntnis auf seine Zuhörer einen großen Einfluß ausübt.
Daher muß man die rhetorische Geschicklichkeit mit Sachkenntnis verbinden, in der höchte Rechtschaffenheit und höchste Klugheit miteinander vereint sind.
20. Februar 1995
7. Vorlesung: Aurelius Augustinus
Augustinus lebte von 354-430 nach Christus. Sein Lebenslauf und seine Veröffentlichungen sind erstaunlich lückenlos bekannt. Er war ein Kirchenvater. Kirchenvater: Festhalten an der rechtgläubigen Lehrgemeinschaft, aber nicht frei von Irrtümern, heiliges, aber nicht sündenloses Leben, Zustimmung zu den Entscheidungen von Synoden. Kirchliches Altertum bis 700 nach Christus. Altchristlicher Heiligkeitsbegriff.
Aurelius Augustinus ist in Nordafrika geboren, zu einer Zeit als der Niedergang der Kulturmetropole Rom in vollem Gange war. Rom verlor als geistiges Zentrum des römischen Reiches immer mehr an Bedeutung. Karthago dagegen blühte auf.
Um 370 besuchte Augustinus eine Rednerschule in Karthago. Ein Jahr später bekam er mit Melanie im Alter von 17 Jahren ein Kind. Die Mutter von Augustinus Monica wollte sie auseinanderbringen. Mit 18-19 Jahren wurde er Rhetoriklehrer in Karthago.
Er interessierte sich für alle möglichen geistigen Strömungen und probierte alles mal aus. So war er bei den Manichäern, einer Sekte, einer Gruppe um den Religionslehrer Mani, der um 276 in Persien lebte und lehrte. Mani verwarf das alte Testament und sah die Welt als Licht- und als Schattenreich, bevölkert von guten Lichtwesen und Wesen der Finsternis. Demnach sprach Mani auch von einem zweifachen Jesus, einer der von den Juden gekreuzigt wird, weil er vom Satan besessen ist und der andere, der wahre Jesus. Für ihn würden auf der Welt immer zwei Reiche existieren.
Danach schloß sich Augustinus für kurze Zeit dem Skeptizismus der Akademiker an, der nach Platon aufkam. Die skeptizistische Frage, was kann ich wissen, gewann für ihn große Bedeutung. Aber die Auffassung, es kann kein philosophisches Ergebnis bewiesen werden, war ihm nach einer Weile auch zu wenig, ebenso wie Manis Auffassung, es müsse ein Licht- und ein Schattenreich geben.
383 zog er gegen den Willen seiner Mutter mit Melanie und seinem Sohn nach Rom. Seine Mutter Monica verfolgte ihn dorthin.
Kurz darauf folgte er einem Ruf, als Rhetoriklehrer nach Mailand zu kommen.Dort beim Kaiserhof in Mailand durfte nur die creme de la creme der Rhetoriklehrer unterrichten. Es war eine Auszeichnung dorthin berufen zu werden.
Dort hatte Augustinus sein "Bekehrungserlebnis": Er war mit Freunden auf einer Landvilla und hatte dort ein tolles Erlebnis von Erkenntnis. Er war momentan in einer schweren Exitenzkrise. Seine Mutter hatte Melanie wieder nach Afrika fortgeekelt [Was hat Augustinus nur für eine Mutter gehabt?!?] und er hatte sich überanstrengt, fast bis zum Wahnsinn.
Doch dort hörte er nun die Stimme eines Kindes mit einem Buch: tolle lege, nimm dies und lies. Daraufhin las er 386 den Römerbrief und bekam eine Erleuchtung. Ein Jahr später sich er sich dann in Mailand von Ambrosius taufen. Er ging zurück nach Rom, Ostia. In selben Jahr starb seine Mutter nach langer Krankheit.
388 ging er dann zurück nach Afrika und gründete dann 389 ein Kloster in Hippo. Kurz darauf erhielt er die Priesterweihe und wurde Bischof. 430 wurde Karthago durch die Vandalen belagert. Er starb bei den Auseinandersetzungen.
Sein Leben war eine Odysse des Suchens.
Warum ist Augustinus auch heute noch so bekannt? Warum wissen wir so viel über ihn? Warum lebt er so stark fort?
Zwei Gründe gibt es dafür: Einmal seine autobiographischen "Bekenntnisse", ein Vorläufer aller psychologischen Fakten und Reflexionen, die eigentliche Entdeckung der psychologischen Sichtweise, soweit wir das bis heute wissen.
Und zudem machte ihn sein von 412-426 dauernder, heftiger Kampf gegen den Pellakianismus bekannt. Pellakius war ein irischer Mönch, der die Notwendigkeit der Gnade und die Existenz der Erbsünde, daß der Mensch zu Egoismus und Bosheit neige, leugnet. [Warum eigentlich "leugnet"? Vielleicht gibt es das ja wirklich nicht!]
Pellakius vertritt die Ansicht, daß der Mensch aus sich selbst heraus gut werden kann. [Wieso auch nicht?] (siehe Rousseau). Er denkt nicht, daß der Mensch von Natur aus zum Bösen neigt. [Hey, ein Kollege!]
Augustinus kämpft dagegen, er vertritt wie Luther dann später auch die Auffassung, der Mensch brauche die Gnade. Luther war eine Augustiner-Mönch.
Augustinus beschrieb in seinem 426 erschienen Werk "Der Gottesstaat" den Verlauf der Weltgeschichte, so wie er ihn sieht. Dabei geht es nun doch um den Kampf des Reiches von Gott gegen das Reich des Teufels. Dabei betonte Augustinus die Notwendigkeit, diese beiden Reiche zu erkennen und voneinander zu trennen.
In seinem Werk "Über die Ordnung" führt er einen Ordnungsbegriff für die Schöpfung ein. Demnach unterliege die Schöpfung der Ordnung Gottes. Gott habe der Schöpfung eine Ordnung gegeben.
Dabei meint Augustinus, folgende Hierarchie fest zu können: Engel - Mensch - Tier - Pflanze, Kaiser - Adelige - Bauern. Wichtig ist ihm dabei aber auch,daß jeder in der Hierarchie Rechte und Pflichten hat. Der Bauer hat Pflichten gegenüber dem Adeligen genauso wie der Adelige gegenüber dem Bauern Pflichten hat. Der Bauer arbeitet für den Adeligen, der Adelige gewährt ihm dafür Schutz.
Augustinus denkt, daß der Kaiser nur Rechte ausgeben kann, wenn er auch Pflichten erfüllt. Wurden damals wie heute die Pflichten oft vernachlässigt und nicht gesehen, so lehrte zumindest Augustinus beides: Rechte und Pflichten.
Rechte hat man nur, wenn man Pflichten erfüllt, denkt Augustinus. [Obwohl es auch davon Ausnahmen geben muß, denke ich. Die Menschenrechte müssen für jeden Menschen gelten, unabhängig davon, ob ein Mensch irgendwelche Pflichten erfüllt oder nicht.]
Er betonte oft die Priorität der psychologischen Sicht des Menschen, auch wenn er damals andere Worte dafür gebrauchte.
Der Dreifaltigkeitsbegriff, Trinitätsgbegriff. Gott als ein Wesen und als Heiliger Geist, Vater und Sohn. [Mutter und Tochter??? Fünffaltigkeit?] Wie geht das, ein Gott, drei Personen? Wie kann das sein? 1 Mensch, drei Kräfte: denkerisch-schöpferisch, liebende Kräfte, zeugnisgebende, bekennende Kräfte. Gott vom Menschen her erklären!!!
Augustinus war der erste, der versuchte, Gott vom Menschen her zu erklären. Worauf gründet der Mensch? Vorher: Der Mensch kommt von Gott her, der Mensch ist auf Gott gegründet. Jetzt: Der Mensch begründet, erklärt Gott. Worauf gründet dann der Mensch? Er muß auf sich selbst gründen.
Zusammenhang mit der Personendefinition von Boethius etwa 100 Jahre später: Der Mensch, die Person ist die individuelle Substanz der allgemeinen vernünftigen Natur. Person als Substanz, die in sich selbst existiert. [Tut sie das, wenn sie Substanz der allgemeinen persönlichen Natur ist?]
Der Mensch braucht niemand anderen, nur, um sich selbst zu verwirklichen.
Augustinus´ Gedanken über die Erziehung
Pädagogik - confessiones "Unterweisung der Unwissenden im Christentum" In der Schrift geht es vor allem um die Ausbildung der Taufbewerber. Und dazu braucht es, so Augustinus, sowohl die Psychologie des Herzens als auch die Theorie der Erziehung, wobei für Augustinus das erstere wichtiger ist.
Leid, Liebe. Verlangen nach Liebe, Trauer, Selbstentfaltung und so weiter. Herz - Gefühle, Stimmung, Gedanken. Unterweisung darin.
2. Unterweisung: religiöse Unterweisung. Liebe und Furcht sind gepaart. Der Erzieher als gutes Beispiel, Vorbild. Demut und so weiter.
Eigentliche pädagogische Bedeutung von Augustinus: Gnadenlehre (wie bei Luther) und der Kampf gegen den Pellakianismus: Der Mensch kann sich nicht auf die Gnade vorbereitet werden, die Gnade kommt ihm stattdessen unverdient zu. Es braucht dazu aber die Kraft, im Heiligen Geist zu leben.
Pellakius Vorwurf gegen Augustinus´ Auffassung: Augustinus zerstöre die Freiheit des Willens, wie sie Erasmus fordert (Ersamus, "Über den freien Willen"). Der Freund von Luther Melanchthon war auch ein Schüler von Erasmus. Das führte zu Differenzen, wo Luther die Gnade von Gott sah, tendierte Melanchthon eher zu der Sicht von Pellakius.
Gnade - freier Wille, Gnade kommt aus dem Menschen selbst heraus? Augustinus und Luther: nein. Melanchthon: Ja-ein. Erasmus und Pellakius: Ja. Ihre Bitte, ihre Forderung: Ihr dürft dem Menschen alles nehmen, nur den freien Willen nicht. Luther dennoch wie Augustinus auch: Was die Gnade angeht, hat der Mensch keinen freien Willen. Du kannst die Gnade nicht durch deine Macht bekommen.
Die Autorität der Heiligen Schrift hat sich in dieser Diskussion gesteigert. Augustinus holt die Schrift heraus: Was sich über menschliches Denken, über den Menschen allgemein und über Gott sagen läßt, muß sich aus der Heiligen Schrift herleiten lassen. Dagegen ist Pellakius eher ein spekulierender Philosoph.
Glückseligkeit des Menschen ist mit Augustinus´ Sichtweise von Gott abhängig. Die Vernunft erhält hypothetischen Charakter unter Vorbehalt des göttlichen Willens. Diese Sichtweise kippte die spätantike Vorstellung von Weisheit.
Die Stoiker hierzu: Du kannst aus Dir heraus weise werden. Und jetzt von Augustinus: Man wird durch die Gnade Gottes weise. Du kannst aus Dir heraus weise werden, ja, aber nur unter der Gnade Gottes, sonst nicht. Du kannst das nicht vollkommen frei entscheiden.
Quelle einiger der Anekdoten, die Herr Krenzer immer mal wieder einfügt:
Diogenes Laerzius (250 n.Chr): "Erinnerungen" - das Buch ist erhalten geblieben, Felix Meisner Verlag (Grüne Bände)
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