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Vision einer ökologischen und liebevollen Lebensgemeinschaft

Eine Vision, die ich bekam, als ich letztes Jahr aus der Stadt in den Wald flüchtete. Ich könnte mir diesen Text auch als Buch mit schönen Bildern vorstellen. Wenn jemand Ambitionen in diese Richtung verspürt, kann er sich ja mal bei mir melden. ;-)

Oder: Die erste doppelstöckige Hängematte der Welt

Von Martin Steigerwald
Angefangen: 9. Mai 1998
Stand: 12. Mai 1998

Ich bin in meinem Zimmer - in Frankfurt Rödelheim - und finde mein Gleichgewicht nicht. Ständig fahren Autos am offenen Fenster vorbei, immer wieder unangenehme und fremdartige Geräusche. Es ist nie still in der Stadt. Ich halte es nicht mehr aus. Die ganze Woche Unsicherheit und Verwirrung. Was soll ich tun? Wo soll ich hin? Wie wird meine Zukunft aussehen? Was hat diese ganze hektische Welt mit mir zu tun? Was wollen eigentlich all die um mich herum hastenden Menschen? Welche Sicherheiten und Geborgenheiten gibt mir diese Welt der zivilisierten Menschen? Wie sorgt die menschliche Gesellschaft für mich und wie kann ich mich einbringen? Kälte, und ja nicht wirklich einmal hinfallen, wenn ich nicht von selbst wieder aufstehen kann. Der Boden unter dem nicht allzu dicht gesponnenen Netz sozialer Absicherung ist betonhart. Ich fühle mich einsam unter den vielen Menschen.

Ich muss hier raus, raus in die Natur. Ich werde doch einen Ort finden, an dem ich ruhig alleine traurig sein kann, nachdenken kann, zweifeln kann, um dann wieder neuen Lebensmut zu finden.

Ab in die Parks entlang der Nidda. Ein wunderschöner Sonnentag. Viele Menschen, viel Krach, nirgendwo ein Ort der Ruhe, überall Autolärm. Ich bin schon nahe am Aufgeben und wieder nach Hause - ist das wirklich mein Zu-Hause? - laufen, da begegne ich in meiner Trauer an einer Autobahnbrücke - inmitten des Kraches - einem kleinen Baum.

Dieser Baum redet mit mir. Ich bin traurig, wie er da scheinbar alleine so da steht, und wie er tag ein, tag aus den giftigen Abgasen der vielen Autos standhalten muss. Er hat viele zerfressene Blätter, wie ich bestürzt feststelle. Dieser Baum redet mit mir. Ich wollte - nun in die andere Richtung gehend - doch noch mal versuchen, einen ruhigen, friedlichen, schönen Ort zu finden. Der Baum sagt: "Ich kann dich führen! Ich kenne eine Stelle, wo viele meiner Freunde stehen. Die Bäume und anderen Pflanzen auf deinem Weg werden dich an diesen Ort leiten." Ich schöpfe neuen Mut, bedanke und verabschiede mich von dem Baum. Ich wünsche ihm alles Gute und viel Kraft, um weiter der menschlichen Zerstörungswut - durch Autoverkehr - standhalten zu können.

Er antwortet: "Wenn ich sterbe, geht mein Leben in anderes Leben über. Ich sterbe nicht wirklich. Leben vergeht nicht."

Ich denke ihm zu: "Und dennoch wäre ich traurig."

"Ja, es wäre traurig. Leid bleibt Leid, auch ohne endgültigen Tod."

"Ja, Leid bleibt Leid."

Ich gehe weiter. Ich spüre meine Verbindung mit den Pflanzen, ich spüre ihre Gegenwart, überall, wo welche stehen. Ist da Gott?

Ich wandere weiter und weiter. Ich bin nun schon eine ganze Weile unterwegs und durstig. Und doch gehe ich weiter. Unter Autobahnbrücken hindurch. Widerlich, dieser Krach. Nach den Brücken laufe ich schneller, um endlich einen Platz zu finden, der mir erzählt, was ich in dieser Welt eigentlich soll. Oder der mich soweit mich selbst sein läßt und mich gleichzeitig so sehr in Geborgenheit wiegt, dass ich es selbst herausfinden kann, wenn ich in mich gehe.

Ich finde diesen Platz. In einem jungen Wald. Die Vögel zwitschern, Tiere rascheln, sie leben. Die Erde ist weich, die Bäume sind grün, sie leben. Dieser Ort lebt. Dieser Ort ist okay. Der Wald legt sich wie eine Decke auf mich und schirmt mich ab, gegen diese harte, oft sehr böse gewordene Welt der Menschen. Keine Autogeräusche mehr. Frieden. Gute Luft. Und ein Bach. Das Wasser plätschert. Also, wenn Gott nun nicht hier ist, wo ist er dann?

Ich finde einen Platz, wo ich mich niederlassen kann. Direkt auf den Waldboden. Ich habe kurze Hosen an und meine Beine berühren den Waldboden, der mich aufnimmt. Der Wald nimmt mich auf. Eine Kugel aus Gutem baut sich in mir und um mich herum auf. Ich schöpfe Kraft, ich erlebe Frieden. Vielleicht gibt es in dieser Welt, in mir selbst doch Sinn?

Ich bin am Leben. Noch haben die Planetenzerstörer, die Tiertöter, die Autofahrer, die mich kalt behandelnden Menschen - ich kann mich davon leider auch (noch?) nicht völlig freisprechen, doch bemühe ich mich, es zu vermeiden - mich nicht tot bekommen. Das merke ich jetzt - ich bin noch nicht tot, ich lebe. Meine Trauer mündet nicht mehr länger in Verzweiflung, ich lasse nun nicht den Kopf hängen, sondern spüre Hoffnung. Ich werde kämpfen. Ich werde für diese Schönheit, für diesen Frieden, für diese Liebe allen Geschöpfen gegenüber, die ich an diesem Ort spüren darf und überall, kämpfen.

Ja, Bäume, ich habe verstanden. Ich kehre als Agent eurer Friedfertigkeit, eurer Liebe zurück, und werde alles versuchen, was ich kann, und wofür ich den Mut aufbringe, um euch zu helfen. Ja, Wald, ja, Vögel, ich habe kapiert, was auf dem Spiel steht. Es steht nicht weniger auf dem Spiel als mein Leben, sondern weitaus mehr.

Danke, dass ihr mich umarmt. An euch kann ich mich wenden, auch dann, wenn der letzte Mensch, dem ich vertraute, nicht mehr versteht, was in mir vorgeht. Ihr versteht mich und vielleicht noch viel mehr. Ihr seid warm und bergend. Ihr könnt nicht anders. Nur wir Menschen haben die Freiheit grausam und kalt zu sein. Aber ich will das nicht. Bei euch habe ich das ganz sichere Gefühl, das mit unserer Freiheit muss ganz anders gemeint gewesen sein. Frei sollen wir sein, mit dir, Schöpfung, nicht gegen dich.

Frei oder nicht frei - Halbfreiheit gibt es nicht. Gott, du hast keine Kompromisse gemacht. Wir sind frei, auch die uns gegebene Freiheit falsch zu verstehen, und du hast uns nicht vollkommen gemacht, denn dann wären wir nicht frei, sondern schon vollkommen fertig. Den Weg zur Vollkommenheit, den müssen wir selbst gehen. Vielleicht kommen wir nie ans Ziel, aber doch immer näher. Vielleicht verändern wir das Ziel auch mit der Zeit. Vielleicht gibt es auch nicht ein Ziel, denn die Menschen sind frei, unterschiedliche Ansichten zu haben.

Ja, Gott, ich glaube, verstanden zu haben, wie ich meine Freiheit am besten verstehe. Es geht nicht ohne dich, es geht nicht ohne die Natur, denn ich bin ein Teil von dir und von der Natur.

Ja, Bäume und Vögel und Wildkräuter, ich werde kämpfen. Ich habe mich aus freien Stücken dazu entschlossen, für euch und alle anderen Menschen und mich zu kämpfen.

Geräusche. Irgendein Fest der Menschen. Meine Aufmerksamkeit wird abgelenkt, ich kann euch Bäume nicht mehr so gut spüren. Es ist spät, der Tag war anstrengend. Ich gehe nach Hause. Ihr sagt mir noch, ich könne wiederkommen, wann immer ich wolle. Auch, wenn ich traurig bin, brauche ich mich nicht zu schämen zu euch zu kommen.

Ich weiss nun, bei euch gibt es Trost, bei dir Gott, gibt es Trost, und zwar auch dann, wenn kein anderer Mensch mehr hinhören will, auch dann, wenn der Sinn meines Lebens wie eine Scherbe auf den Boden zu Bruch gefallen ist.

Auf dem Nach-Hause-Weg nehme ich mir vor, von meinem Erlebnis zu schreiben. Ich muss es aufschreiben, sonst gleitet es mir vielleicht aus dem Fingern. Ich will später keine Ausreden mehr haben. Ich werde diesen Text weitergeben, an andere Menschen. Aber keine Angst, ich verrate den genauen Ort, an dem ich zu euch sprach, nur Leuten, denen ich vertrauen kann, und nur mit eurer Zustimmung. Ihr habt Recht, jeder muss seinen eigenen Ort finden.

Und doch können Menschen gemeinsame Orte finden. Andere Menschen? Achso ja - ja, ich habe verstanden, ich weiss, ich brauche andere Menschen; mit dir Natur - ohne die Menschen, die ja eigentlich auch zu dir gehören - alleine? Nein, das geht nicht, das wäre viel zu einsam. Ich brauche mir ähnliche Lebewesen.

Andere Menschen! Es muss doch Menschen geben, mit denen ich gemeinsam etwas aufbauen kann. Eine Stätte der Huldigung an dich, Gott, an dich, Natur, an dich, Leben. Gemeinsam mit anderen Menschen im Einklang mit der Natur zu leben, ohne auf unsere Freiheit zu verzichten, das will ich versuchen. Zukunftsfähig will ich werden, denn ich will leben, nicht nur jetzt und hier. Und die, die nach mir kommen, wollen auch leben. - Und dann macht das gute Beispiel Schule und andere Menschen versuchen auch besser zu leben.

Und dennoch tippe ich diesen Text hier mit dem Komputer. Da passt etwas nicht, ich weiss. Beim Herstellen von Komputern tuen Menschen dir sehr weh, Natur. Aber muss das sein? Gibt es keinen Weg für uns, unsere Freiheit zu leben, und eigene Ideen zu verwirklichen, ohne dir weh zu tun? Hmm, den Pflanzen, die ich esse, denen tue ich auch weh - oder was spürt ihr Wildkräuter eigentlich, wenn ich euch Blätterstränge abreisse? Das Holz des Bodens, auf dem nun meine Füße stehen, kommt von euch, ihr Bäume.

Vielleicht können wir tatsächlich von Luft und Liebe alleine leben, eine Möglichkeit unserer Freiheit. Aber wenn wir schon was von dir nehmen, Natur, dann soll uns das bewusst sein. Wenn wir zusammen mit dir leben, dir Ganzheit, und uns bewusst sind, was wir von dir nehmen, und wann wir dir weh tun, werden wir Maß halten und rücksichtsvoll sein. Und vielleicht können wir ja auch beim Herstellen eines Komputers versuchen, dir so wenig wie möglich weh zu tun.

Und wir können dir etwas zurück geben. Unsere Liebe, unsere Dankbarkeit, und vielleicht auch mal unsere Hilfe, zumindest solange du versuchst, die Wunden zu heilen, die wir dir beigebracht haben. Wir können mit dir und mit uns selbst in Freiheit und Liebe leben.

Ich bin ein Teil von dir Natur, ich bin ein Teil von dir, Gott, und ich versuche alles, um nicht mehr so bescheuert zu sein, dir, Natur, dir Gott, weh zu tun. Ist doch bekloppt, der Ganzheit weh zu tun, deren Teil ich bin. Mutter Natur, ich liebe dich.

Später:

Ich liege an einem Morgen im Spätsommer in einer Hängematte - einer Spezialanfertigung aus unserer Erfinder-Werkstatt, auf der es sich besonders gut liegt - in einem Baum. Frische, grüne Blätter mich herum. Der Wind raschelt. Die Sonne geht auf. Farbenpracht der verschiedenen Blüten der Bäume im Wald und Kräuter auf der nahen Wiese. Schönheit.

Neben mir liegt meine Freundin. Sie schläft noch. Und wieder: Schönheit. Ich räkele mich, und gehe zum nahem Bach, dessen Wasser mir etwas zu flüsternd vor sich hinplätschert. Nicht, dass ich zuhören müsste, der Bach plätschert auch für sich selbst und andere Lebewesen. Aber nun tauche ich meine Hände in das kühle, klare Wasser, und wasche mein Gesicht. Aaah, ist das schön. Meine Lebensgeister erwachen wieder und etwas keck werdend, nehme ich etwas Wasser in meine Hände und lasse es auf die Stirn meiner Freundin tropfen. Sie nimmt es mir nicht böse, revanchiert sich jedoch an einem anderen warmen Sommertag bei einer Schlammschlacht.

Ich gehe zu den Holzhäusern, in denen wir und viele andere Menschen wohnen. Wir sind eine große Gemeinschaft. Unterwegs komme ich an unserem Garten vorbei. Hmmm, ein paar reife Früchte, da nehm ich welche von mit. Da brauche ich ja gar nicht mehr zu der von uns mit verwendeten Küche laufen. Ohne Herd und ohne Kühlschrank, ist sie mehr ein Vorratslager, ein Futter-Raum für frische Früchte und Gemüse aus unserem Garten, vom Naturkostgrosshändler oder von Rohkostversendern. Wildpflanzen lagern wir nur wenig, wir pflücken sie uns lieber in den Mund. Es gibt auch eine Küche mit Herd, aber der wird immer weniger genutzt. Ich laufe zurück zum Hängematten-Baum und wir frühstücken zu zweit. Wir sitzen auf der Wiese. Das Obst in der einen Hand und in der anderen Wildpflanzen, die wir direkt von der Wiese wegmampfen. Oft frühstücken wir auch gemeinsam mit anderen in einem größeren Rahmen, aber heute mal wollten wir für uns sein. Beides ist hier möglich. Jeder kann sich zurückziehen oder sich einbringen, wann er will. Aber wir machen in unserer Gemeinschaft Vieles zusammen, denn alle mögen es, mit anderen Menschen zusammen zu sein.

Wir treffen uns mit anderen zusammen zum morgendlichen Laufen über den Urbewegungs-Trimm-Dich-Pfad, den unsere Gemeinschaft angelegt hat. Wir laufen durch die schöne Natur und trainieren an verschiedenen Stationen unsere Körper. Dazu hängen wir uns zum Beispiel mit einem Arm an einen Ast, klettern in Bäumen herum und jagen uns gegenseitig nach. Am Ende setzen wir uns gemeinsam auf eine grüne Wiese und sind ganz still. "Natur! Wir sind hier, wir sind da, wir freuen uns so schön leben zu dürfen! Danke für deine Gaben, Gott. Wir wollen im Einklang mit dir leben." Wir meditieren gemeinsam, einige meditieren auch für sich. Wir spüren die Kraft der anderen Menschen, und der Bäume, der Natur. Ja, dieser Ort ist kraftvoll. Danach bleiben einige noch, um sich gegenseitig zu massieren. Ich trenne mich von meiner Freundin, und gehe an die Arbeit. Hmmm, was steht denn heute so an? Heute mache ich nicht so viel, das Wetter ist so schön, das will ich lieber genießen. Nunja, ich könnte einen Artikel für ein Komputer-Magazin am fertig schreiben, danach ein wenig im Garten arbeiten, und dann mit einem guten Freund zusammen die neue Lieferung des Naturkost-Grosshändlers auswiegen - ich bin mal wieder an der Reihe. Danach am Nachmittag helfe ich noch bei unserem "Kindergarten". Vielleicht kann ich einigen Kindern wieder ein paar neue Wildkräuter zeigen.

Also, jetzt erst einmal ein wenig Gehirnjogging, und dann los! Geistig trainiert, setze ich mich an einen der gemeinsam genutzten Komputer. Wir haben nur ein paar Komputer, denn nicht jeder braucht zur gleichen Zeit einen. Der Komputer hat einen modernen strahlungsarmen LCD-Flachbildschirm und steht in einem Raum, der gut von der Sonne ausgeleuchtet wird. Wir haben einen ziemlich schnellen Komputer für Bildbearbeitung und Filme erstellen, aber die anderen sind langsamer und älter. Alle Komputer sind modular aufgebaut. Alter Komputer raus, neuer Komputer rein, das gibts bei uns eigentlich nicht oder nur ganz ganz selten. Ich tippe meinen Text, lege ein paar Bilder bei und verschicke ihn per Internet- Email. Dabei informiere ich mich über Neuigkeiten aus aller Welt. Für mich ersetzt das die gedruckte Tageszeitung. Schön! Wieder wurde ein grosses Regenwaldgebiet unter Schutz gestellt. Und eine Anfrage aus einem etwa 2 Stunden entfernten Ort, wo eine Gruppe auch eine ähnliche Lebensgemeinschaft wie wir aufbauen will. Ich lade die Gruppe zu einer Besichtigung ein. Klasse, unser Beispiel macht Schule, das ist nun schon die 10. Gruppe, die unser Wohnprojekt sehen will. Und dann gibts da noch die neue Preisleiste eines unserer Rohkostlieferanten. Es gibt viele, die die Komputer für alles Mögliche nutzen. Aber einige wollen mit Komputern auch nichts zu tun haben. Macht nichts, wir haben auch eine alte mechanische Schreibmaschine und ansonsten kann ja jeder auch mit Füllhalter auf normalen Papier etwas schreiben, was ich auch immer noch sehr gerne mache. Jedenfalls sind alle Komputer gut abgeschirmt. Sie befinden sich nicht in der Nähe der Schlafzimmer.

Das Arbeiten im Garten macht Spass. Es ist noch jemand da, der sich gerade um die Tomatengewächse kümmert. Ich helfe ihm dabei. Klar, dass wir dabei auch mal probieren, ob die Tomaten auch so richtig gut schmecken. Wir werden nicht enttäuscht.

Das Auswiegen ist anstrengend, denn es ist eine grosse Bestellung. Aber es macht Spass, das Obst und Gemüse zu wiegen und in die Körbe für die verschiedenen einzelnen Wohngruppen zu legen. Es fühlt sich lebendig und natürlich an und ist schön anzufassen.

Dann sammle ich für das Mittagsessen ein paar Wildkräuter. Ein paar andere strenge Urköstler haben auch gerade Hunger, und so bereiten wir uns einen schönen Wildpflanzen-Gemüsesalat zu, mit dem Saft einer ausgepreßten Orange und ein paar Hanf-Samen oben drüber gestreut. Und dazu eine schöne reife Avokado.

Frisch gestärkt trudele ich nach einem kleinen Spaziergang im Wald bei unseren "Kindergarten" ein. Ein Garten ist das schon, aber kein "Kindergarten" im herkömmlichen Sinn. Es ist kein abgegrenzter Platz, den die Kinder nicht verlassen dürfen. Vielmehr laufen bei uns die Kinder fast überall herum, außer in den Privaträumen der Gemeinschaftsmitglieder. Natürlich hat auch jedes Kind, das bei uns lebt, ab einem bestimmten Alter, einen eigenen Raum.

Unser "Kindergarten" ist ein schöner Ort, ein überdachter Raum, der aber gerazu fließend in die freie Natur übergeht, wo sich Kinder treffen können zum Spielen und Lernen. Meist sind auch Erwachsene da, mit denen die Kinder dann etwas unternehmen können. Dabei geben die Kinder den Ton an, und sagen, was sie machen möchten. Wir Erwachsene gehen, soweit wir können, auf die Wünsche der Kinder ein und machen auch selbst mal Angebote. Da die Kinder schnell merken, dass wir sie als gleichberechtigte Partner ansehen und ihre Bedürfnisse sehr ernst nehmen, nehmen sie auch Rücksicht auf uns.

Es gibt kein Bestrafen an unserem Kinderspiel- und -lernort, und nur wenige feste Regeln. Die Kinder aus unserer Wohngemeinschaft sind meist sehr harmonisch und friedlich, aber auch sehr lebendig und im positiven Sinne anstrengend. Nur manchmal, wenn wir ein Kind aus der Nachbarschaft aufnehmen, gibt es am Anfang Schwierigkeiten.

Ich bin ein wenig zu spät in den Kindergarten gekommen, aber hier nimmt das keiner so genau. Das Diktat der Uhren ist bei uns abgeschafft. Hier wird nur dann genau auf die Uhrzeit geachtet, wenn es für die Einhaltung einer Verabredung wirklich notwendig ist oder jemand dies ausdrücklich wünscht. Die meisten Tätigkeiten und Freizeit-Aktivitäten hier erfordern aber keine so genaue Zeiteinteilung.

Es sind viele fröhliche Kinder da. Ein Kind ist traurig, aber es wird schon von einem anderen Kind getröstet. Einige Kinder springen auf mich zu und begrüßen mich. Sie wollen allerdings lieber den Trimm-Dich-Pfad entlang laufen als Wildkräuter sammeln. Also gehe ich mit ihnen etwas UrBewegung machen. Am Ende bekommen sie dann doch hunger und suchen sich ganz von selbst ein paar Wildkräuter.

Ich hole noch etwas Obst, und damit gehen wir dann in den "Kindergarten" zurück. Mit unseren Leckereien locken wir noch andere Kinder an, die friedlich gespielt hatten, und essen gemeinsam. Einige Kinder sind auch noch beim Teich, und pflanzen ein paar neue Schilfpflanzen ein. Mit erdigen Fingern kommen sie dann auch noch zum Essen. Keiner schreibt den Kindern vor, ihre Hände zu waschen. Einige machen es von selbst, andere essen einfach ein wenig Erde mit.

Einem noch relativ neuen Kind erkläre ich dann noch einmal ausführlicher, wo es alles findet. Wo es Bücher findet, die es nach Belieben lesen kann, wo Malsachen sind, Töpfersachen, die Holzwerkstatt, und wen es alles fragen kann, wenn es Hilfe braucht, und wo es sich was zu essen oder zu trinken holen kann, wenn es Hunger oder Durst hat. Obwohl wir uns doch gerne auch ungefähr zu bestimmten Zeiten zum gemeinsamen Essen einfinden, darf hier jeder essen und trinken, wann er möchte, und muss nichts essen, wenn die anderen essen.

Am Abend gibt es noch eine Tanzveranstaltung. Eine Gruppe hat sich mit ursprünglichen Tänzen aus Afrika befaßt und will ihre Arbeit nun vorstellen. Alle sind eingeladen mitzutanzen. Ich gehe dorthin, weil ich noch nichts anderes vorhabe, und mir nach Geselligkeit ist.

Ich tanze ein wenig und hole mir dann noch etwas Obst vom liebevoll zusammengestellten Rohkost-Buffet. Nicht lange, nachdem es dunkel wurde, gehe ich zum Hängematten-Baum zurück. Auch diese Nacht ist schön warm und will drausen geschlafen werden.

Ich nicke schnell ein und träume von der Zukunft. Ein schöner Traum. Nein, ich habe keine - oder kaum noch - Angst, von der Zukunft zu träumen, auch, wenn in dieser Welt immer noch nicht alles so ganz okay ist.

Ich träume von vergangenen politischen Aktionen und von zukünftigen. So wollen einige aus unserer Gemeinschaft beim Protest gegen eines der letzten noch laufenden Atomkraftwerke in Deutschland mithelfen. Dabei ist eigentlich allen klar, die Atomkraft hat ausgedient. Wir haben hier regenerative Energie und kommen damit eigentlich ziemlich gut aus. Im Sommer speisen wir sogar Strom ins Stromnetz ein. Auch zum Thema Wald haben wir wieder etwas vor. Schön, dass das Waldsterben seit langem wieder rückläufig ist.

Nun sehe ich eine schöne Blumenwiese mit Obstbäumen. Ich liege auf ihr und fühle Ruhe, Gelassenheit und Glück. Eine Stimme sagt: "Ruhe dich aus, aber nicht zu lange, es gibt noch einiges zu tun!". Ja, ganz stillstehen werde ich niemals zu lange. Die Blätter der Bäume wiegen sich zufrieden im Wind. Ich habe das tiefe Gefühl dem Auftrag der Bäume, der Natur, von Gott, weit besser gerecht zu werden als jemals zuvor.

Bevor ich am nächsten Tag von der Sonne geweckt werde, noch eine Szene: Ich sehe ein paar andere und mich selbst in der Erfinder-Werkstatt. Zwei von uns testen gerade den Prototyp der ersten doppelstöckigen Hängematte der Welt.


Kontakt - Stand: 18.4.99 - Eingerichtet: 18.4.99
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